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Saisonstart Mit dem Torfkahn ins 18. Jahrhundert

Die neue Saison der historischen Ausflugsfahrten mit Torfkähnen startet am 1. Mai. Die ersten Fahrten sind bereits gebucht.
21.04.2018, 21:41 Uhr
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Von Irene Niehaus

Leinen los: Jetzt starten die Torfkähne in die neue Saison. Die Betreiber nehmen wieder Ausflugsgäste mit an Bord und hissen die braunen Segel ihrer Flotten. Vorher ziehen sie sich ihre Kluft an: Die Skipper tragen traditionell zur dunklen Cord-Hose ein blauweiß gestreiftes Hemd und ein blaues Halstuch. Sie bescheren ihren Passagieren während der gemächlichen Reisen einen ganz besonderen Blick auf die Naturschönheiten und die Geschichte der Torfschifffahrt.

Auch die originalgetreuen Boote der Adolphsdorfer Torfschiffer tuckern nun wieder bis Oktober regelmäßig über die Hamme. Und helfen obendrein bei der Wiederentdeckung der Langsamkeit. Die rund 20 Steuermänner des Grasberger Vereins freuen sich auf das Ende der Winterpause und auf die Ausflugssaison 2018, wie Pressewart Klaus Feldmann sagte.

Die kiellosen Eichenboote gleiten dann auf historischen Wasserwegen. Einer ihrer schwarzen Kähne mit dem braunen Segel läuft das erste Mal vom Stapel und schippert von Neu Helgoland, einem Ortsteil Worpswedes, aus los. Dort starten die meisten Linien- und Charterfahrten.

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Mit dem nigelnagelneuen Nachbau eines historischen Torfkahns und den anderen sieben Booten der Adolphsdorfer können die Fahrgäste die Weite der Hammeniederung erleben, und wenn der Wind es zulässt, sogar mit aufgeblähten Segeln. Solche Torfkähne waren in früheren Zeiten das wichtigste Transportmittel des Teufelsmoores. Sie beförderten den als Brennstoff genutzten Torf nach Bremen. Das erste Ereignis der Saison stand bei den Adolphsdorfer Torfschiffern am Sonnabend an.

Nach mehr als einem halben Jahr und über 1000 Arbeitsstunden verließen ihre Kähne in neuer „alter“ Frische das Winterlager. In der Zeit seit letztem Oktober wurden alle Boote überholt. Obwohl die Saison der Torfschiffer erst am 1. Mai beginnt, werden die Kähne immer schon vorher ins Wasser gelassen, mit dem Trailer in das Becken des Hammehafens an der Steganlage des Vereins am Hammeweg 12 in Neu Helgoland. Die ersten Fahrten sind gebucht.

Boote ohne Abgase

Seit letztem Jahr werden die Torfkähne der Adolphsdorfer Torfschiffer nach und nach mit geräuscharmen Elektromotoren ausgerüstet. Vier der acht Boote fahren noch mit Benzin. Jedes Schiff hat eine eigene Kiste mit besonderem Inhalt: Anker, Rettungswesten, Lenzpumpe, Reservetank und Regencapes gehören dazu. Die E-Boote führen zusätzlich vier Akkus mit sich.

Der Außenborder Cruise 4.0 ist vergleichbar mit einem acht PS starken Benziner, jedoch ohne Abgase und Treibstoff. Das passt ins Bild. Schließlich sind die Torfkähne in den Naturschutzgebieten der Hamme-Niederung unterwegs. Am Rumpf ihrer Boote steht der Schiffsname. Sie heißen Us Heinz, Jan von Adolphsdorf und Weyerbarg, andere wurden auf Nils de Moorhos, Jürgen Christian Findorff oder Hammehütte getauft.

Der neue Kahn löst den in die Jahre gekommenen Vorgänger Jan von Moor ab, dem eine Zukunft als ausgemustertes Ausstellungsstück beschieden ist. Das neue Schiff halten neun Spanten zusammen. Die Beplankung besteht aus fünf Meter langen Eichenbohlen, versetzt aneinander geschraubt.

Bis ins Detail geplant

Gut 9,80 Meter Länge misst auch dieser Kahn, den die Torfschiffer in eineinhalb Jahren auf ihrer hauseigenen Werft zimmerten. Alle Holzarbeiten erledigen die Vereinsmitglieder grundsätzlich selbst, unter ihnen viele Handwerker, Zimmerleute oder Kfz-Meister. Der 65 Jahre alte Klaus Feldmann hat Landwirt und Ofenbauer gelernt.

Ihre Winterarbeiten sind bis ins Detail geplant: Die Rentner arbeiten einen Tag pro Woche auf der Werft. Zusätzlich gibt es zwei Gruppen, die an zwei Tagen schleifen, streichen, ausbessern: Angegriffene Bretter und Spanten werden erneuert, ausgerissenes Tauwerk und alte Ösen getauscht. Teeren und Kalfatern wie früher, als die Nähte zwischen den Schiffsplanken mit Werg, Pech oder Gummi abgedichtet wurden, ist nicht mehr zeitgemäß.

Inzwischen gibt es ganz hochwertige Leime und Dichtungsstoffe. Weitere Informationen zu den Adolphsdorfer Torfschiffern, die allesamt ehrenamtlich unterwegs sind, gibt es im Internet unter www.torfschiffe.de. Neben den Adolphsdorfern (Telefon 04792/ 95 12 00) organisieren unter anderem auch Heinz Kommerau (www.torfkahnfahrt.de), die Torfkahnschiffer Osterholz-Scharmbeck (Telefon: 04791/ 96 65 33) und Jürgen Schindler (www.torfkahnfahrten.de) Fahrten mit den nostalgischen Booten.

Skipper haben viel zu erzählen

Angesichts der friedlichen Stimmung während solcher Touren ist es schwer, sich die einstige Mühsal der Moorbauern im Teufelsmoor vorzustellen. Ihr Leben war unendlich hart. Die schwarzen einmastigen Dielenboote waren zwischen Mitte des 18. Jahrhunderts, dem Anfang der Kolonisation des lebensfeindlichen, unzugänglichen Ödlands, und dem beginnenden 20. Jahrhundert die einzigen Verkehrsmittel im Teufelsmoor.

Die Moorbauern stakten, treidelten und segelten manchmal mehrere Tage lang bis nach Bremen und an die Unterweser, um den Torf als Heizmaterial zu verkaufen. Beim Treideln wird der Kahn vom Land aus gezogen. Beim Staken stößt sich der Skipper mit einer vier Meter langen, am Ende mit Eisen beschwerten Eichenstange vom Kanalgrund ab.

Zum Wriggen wurde am Heck ein Riemen hin- und her bewegt. Am häufigsten glitten die 9,6 Meter langen Halb-Hunt-Kähne durch die Flüsse und Wasserstraßen. Ein Halbhunt war im Teufelsmoor das gängigste Bootsmodell, benannt nach der alten Maßeinheit „Hunt“. Ein halbes Hunt entspricht 50 Körben Torf. Über das und vieles mehr erzählen die Torfkahnskipper den Ausflüglern auf den mindestens eineinhalbstündigen Touren.

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