Sie hatten es ab einem bestimmten Zeitpunkt für möglich gehalten, dass der Pfleger Niels Högel Menschen getötet hatte, waren aber nicht dagegen vorgegangen: Das ist der Vorwurf, der sieben vor dem Landgericht Oldenburg stehenden Angeklagten gemacht wird. Der Prozess gegen die ehemals in verantwortlichen Positionen Beschäftigten der Kliniken Oldenburg und Delmenhorst hat am Donnerstag mit der Verlesung der Anklageschriften durch die Staatsanwaltschaft begonnen. Vier ehemaligen Beschäftigten des Klinikums Oldenburg und drei Angeklagten des Klinikums Delmenhorst wird Totschlag, Beihilfe zum Totschlag oder versuchter Totschlags jeweils durch Unterlassen vorgeworfen. Alle hätten durch ihr Untätigsein weitere Taten des Pflegers billigend in Kauf genommen, so die Anklage.
Verteidigung stellt Ausführungen der Staatsanwaltschaft infrage
Mehrere Vertreter und Vertreterinnen der Verteidigung stellten in ihren anschließenden Eröffnungsstatements die Ausführungen der Staatsanwaltschaft teils vehement infrage. Das Verfahren hätte nicht eröffnet werden dürfen, die Anklage sei „falsch und in ihren wesentlichen Punkten angreifbar“, erklärte der Verteidiger des ehemaligen Geschäftsführers des Klinikums Oldenburg. Die Verteidigerin der ehemaligen Pflegedirektorin desselben Hauses erklärte, der Sachverhalt sei unvollständig wiedergegeben und könne nicht belegen, worauf ihre Mandantin einen Verdacht gegenüber Högel hätten gründen sollen.
Nicht nur die Verteidigung, sondern auch der Vorsitzende Richter Sebastian Bührmann betonte, dass die Erkenntnisse aus dem Prozess gegen Niels Högel in dem jetzt begonnenen Verfahren nicht vorausgesetzt werden können. Es müsse neu ermittelt werden muss, ob und welche Taten er begangen habe. „Die Uhren sind von unserer Seite auf null gestellt“, sagte Bührmann.