Die Angeklagten, und das gelte für alle von ihnen, hätten den Tod ihrer Patientinnen und Patienten nicht gewünscht. Das, sagte Staatsanwältin Gesa Weiß in ihrem Plädoyer im Klinikmord-Prozess in Oldenburg, stehe außer Frage. Daraus ergebe sich – ebenso eindeutig –, dass die ehemaligen Vorgesetzten des Pflegers Niels Högel nicht der Beihilfe zum Totschlag durch Unterlassen schuldig gesprochen werden könnten. Denn um Gehilfe eines Mörders zu sein, müsse mit Vorsatz gehandelt werden.
Was Staatsanwältin Weiß am Mittwochvormittag beim Prozess in den Weser-Ems-Hallen vortrug, war sozusagen die Grabrede auf ihre eigene Anklageschrift. Acht Menschen, gestorben durch die Hand Niels Högels, und das unter Billigung seiner ehemaligen Vorgesetzten, darum ging es. Bereits im Vorfeld hatte die Staatsanwaltschaft ihre Anklage stark bearbeiten müssen. Ursprünglich sollten die Morde an 63 Patientinnen und Patienten angeklagt werden. Die Verteidigung forderte, die Vorwürfe insgesamt fallen zu lassen, das Landgericht Oldenburg entschied schließlich, die Anklage nur in Teilen zuzulassen.
Am 28. Prozesstag nun erklärte Staatsanwältin Weiß, sie sehe die Vorwürfe der Anklageschrift nicht bestätigt und plädierte auf Freispruch. Bei den Beschuldigten sei das Wissen um Högels Taten zu gering gewesen, als dass auf einen Tötungsvorsatz geschlossen werden könne. Zwar seien "massive Fehler gemacht worden, auf Verdachtsmomente wurde falsch reagiert und einzelne Angeklagte haben Schuld auf sich geladen", sagte sie. Diese Schuld aber sei "nicht justiziabel".
Keinen Zweifel ließ sie jedoch daran, dass der Prozess aus ihrer Sicht gezeigt hat, wie groß das Misstrauen gegenüber Högel im Klinikum Oldenburg gewesen sein muss. Bis zum September 2002 hatten drei leitende Ärzte kundgetan, nicht mehr mit ihm zusammenarbeiten zu wollen. Sinngemäß hatten sie erklärt: "Der darf meine Patienten nicht mehr anfassen." Die Situation gipfelte in einem Gespräch mit dem damaligen Chefarzt der Anästhesie, der dem Pfleger die Kündigung oder den Wechsel in den Hol- und Bringdienst nahelegte. Högel sei zu gefährlich gewesen, um ihm die Arbeit am Krankenhausbett weiter zu erlauben, interpretierte die Staatsanwältin. "Eine andere plausible Erklärung für diese Vehemenz gibt es meines Erachtens nicht."
Der Prozess wird am Donnerstag, 13. Oktober, mit den Plädoyers der Verteidigung fortgesetzt.