Zum Start des Neun-Euro-Tickets an diesem Mittwoch gibt es keine Einigung zwischen Niedersachsen und der Bahn über die Nutzung der Billigkarte im Regionalexpress (RE) 56. Der Zug verbindet achtmal pro Tag Bremen mit der Nordseeküste. Die Bahn fordert vom Land eine zusätzliche Ausgleichszahlung von 5,24 Millionen Euro, damit Neun-Euro-Tickets auf der Strecke gültig sind, die nach Norddeich-Mole führt. Niedersachsens Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) lehnt die Überweisung dieser „nicht nachvollziehbaren Summe“ ab.
Hintergrund des Konflikts: Der Zug startet in Leipzig als Intercity (IC) 56 und wird von der Sparte Fernverkehr der Deutschen Bahn (DB) betrieben. Von Bremen an gilt er zusätzlich auch als Regionalexpress, in dem alle bislang angebotenen Nahverkehrstickets gelten. Das beruht seit 2014 auf einer Vereinbarung des Landes mit DB-Fernverkehr. Dafür überweist Niedersachsen nach Auskunft der Landesnahverkehrsgesellschaft jährlich einen niedrigen siebenstelligen Betrag an die DB-Fernverkehr – deutlich weniger, als für die drei Billigticket-Monate zusätzlich gefordert wird. „Ich finde es irritierend, dass die DB-Fernverkehr als 100-prozentige Tochter des Bundes das Neun-Euro-Ticket auf der Linie von Bremen nach Norddeich nicht einfach anerkennt“, urteilt Althusmann.
Die Industrie- und Handelskammer für Ostfriesland und Papenburg hat die Landesregierung aufgefordert, beim Geltungsbereich für das Neun-Euro-Ticket im Nordwesten Niedersachsens nachzubessern. Sie fürchtet, dass die Region bei der Aktion abgehängt wird. „Aus Richtung Bremen kommen viele Touristen zu uns. Sie haben kein Verständnis dafür, dass ihr Neun-Euro-Ticket nicht in dem als Nahverkehrszug ausgewiesenen Intercity gilt“, sagt IHK-Präsident Bernhard Brons.
Bei der niedersächsischen Landesnahverkehrsgesellschaft erinnert man dagegen an den ursprünglichen Grund für die spezielle Vereinbarung zu der Zugverbindung: ein Nahverkehrsangebot für die regionalen Pendler zu schaffen. Sämtliche Dauer- und Abotickets des Nahverkehrs, mit denen der Intercity bislang genutzt werden darf, gelten daher weiterhin für die Verbindung – auch wenn sie für Juni bis August automatisch zu Neun-Euro-Tickets werden.
Laut Florian Mosig, Sprecher des Wirtschaftsministeriums, erhält Niedersachsen von den Ausgleichszahlungen des Bundes für das Neun-Euro-Ticket rund 200 Millionen Euro. Mehr als fünf Millionen für eine einzige Verbindung auszugeben, sei unverhältnismäßig. Das Neun-Euro-Ticket gelte ohne jede zusätzliche Zahlung des Landes auf derselben Strecke – und zwar im RE 1, der ebenfalls alle zwei Stunden von Bremen über Delmenhorst, Oldenburg und Emden bis nach Norddeich-Mole fährt und dieselben Zwischenhalte bediene wie der Intercity. Beide Züge fahren im Wechsel, sodass sich ein stündlicher Nahverkehrstakt für die Strecke ergibt.
„Höchst unglückliche Angelegenheit“
Eine „höchst unglückliche Angelegenheit“ nennt Ingo Franßen, stellvertretender Vorsitzender des Fahrgastverbands Pro Bahn Niedersachsen/Bremen, die Regelung. „Gerade für neue Fahrgäste ist kaum zu durchschauen, wann das Ticket gültig ist und wann nicht.“ Wenn es nur alle zwei Stunden möglich sei, mit dem vergünstigten Ticket an die Küste zu kommen, obwohl stündlich Züge fahren, sei das „eine tolle Anti-Werbung“ für das Angebot, sagt Franßen. Er geht davon aus, dass die Regionalzüge, die im Sommer ohnehin mit maximal möglicher Wagenzahl fahren, noch voller werden als sonst. Auch wer weiter wolle, mit den Fähren auf die Inseln zum Beispiel, könne nicht einfach einen vollen Zug fahren lassen und die nächste Verbindung zwei Stunden später nehmen.
Dass das Land Niedersachsen kein zusätzliches Geld an die Deutsche Bahn zahlen will, um das Neun-Euro-Ticket auch in den IC-Zügen zwischen Bremen und der Nordsee gelten zu lassen, kann Malte Diehl nicht verstehen. Er ist Vorsitzender von Pro Bahn Niedersachsen/Bremen. „Bei so etwas sollte Niedersachsen das Geld ein bisschen lockerer haben“, sagt er. Denn die aktuelle Regelung auf der Strecke sei für alle Beteiligten eine Win-win-Situation: Eine reine Fernverkehrsverbindung Richtung Norddeich-Mole sei für die Bahn nicht rentabel. Stellte sie diese ein, müsste das Land komplett für den Regionalverkehr auf der Strecke aufkommen. So profitiere die Bahn von den Regio-Gästen, die zumindest eine gewisse Summe in die Kasse spülen, und das Land vom Stundentakt an die Küste.