Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) wusste schon vorher, dass er keine Fragen seiner Großen Koalition zu befürchten hatte. Nachdem Grüne und FDP mit ihren jeweils vier Auskunftsbegehren durch waren, setzte der Regierungschef am Freitag zu seinen kurzen Abschieds- und Dankesworten in der letzten Landtagssitzung dieser Legislaturperiode an. Nach nur zwölf Minuten war damit die Fragestunde zu Ende. Weil wehrte darin alle Versuche der Opposition ab, ihn im Parlament noch mal in die Bredouille zu bringen.
Ob es „in den nächsten Tagen“ noch Gespräche über einen Nachtragshaushalt zur Entlastung von Bürgern und Firmen gebe, wollte Grünen-Fraktionschefin Julia Willie Hamburg wissen. „Das kommt darauf an, was Sie unter nächsten Tagen verstehen“, konterte der Ministerpräsident süffisant. Er glaube nicht, dass es vor dem Wahltermin am 9. Oktober was werde. „Danach sehr schnell.“ Unbefriedigend – zumindest aus grün-gelber Sicht – fielen auch Weils andere Antworten aus, etwa zum Nachfolge-Modell des Neun-Euro-Tickets oder zu einer Fristverlängerung bei der Grundsteuer.
Kleine Überraschung
Fast unbemerkt blieb da eine kleine Überraschung. FDP-Fraktionsvize Jörg Bode wollte wissen, was Weil von der neuen Diskussion um Sanierung und Ausbau des Südschnellwegs in Hannover halte. SPD-Regionspräsident Steffen Krach und SPD-Umweltminister Olaf Lies stellen inzwischen die vom Bund geplante Ausdehnung zur breiten Autobahn infrage. Der Ministerpräsident schlug sich in dem Streit auf die Seite von CDU-Verkehrsminister Bernd Althusmann. Dieser habe „völlig zurecht auf den weit fortgeschrittenen Verlauf des Verfahrens hingewiesen“. Bei einer neuen Planung hätte man „einen hohen Zeitverlust von drei oder vier Jahren einzukalkulieren“.
Die versteckte Rüge der eigenen Genossen ging in der allgemeinen Abschiedsstimmung unter. Wie schon in den Tagen zuvor nutzten die aus dem Parlament ausscheidenden Abgeordneten ihre letzten Reden für einen fraktionsübergreifenden Dank an ihre Kollegen, an die Mitarbeiter des Landtags und oft auch an ihre Familien. Diese seien in den vergangenen Jahren viel zu kurz gekommen, erklärte die scheidende SPD-Fraktionschefin Johanne Modder und rührte damit nicht nur sich selbst zu Tränen.
Landtagspräsidentin verabschiedet sich
Mehr als 40 der insgesamt 137 Parlamentarier treten bei der Landtagswahl am 9. Oktober nicht mehr an. Landtagspräsidentin Gabriele Andretta (SPD) verlässt das Leineschloss ebenso wie ihre Vizes Bernd Busemann und Frank Oesterhelweg (beide CDU). Auch der dienstälteste Abgeordnete Uwe Schwarz (SPD) verabschiedet sich. Der Sozialexperte aus Bad Gandersheim saß seit Juni 1986 im Leineschloss.
Hausherrin Andretta, die als erste Frau überhaupt das ranghöchste Amt in Niedersachsen innehatte, nutzte ihre letzten Worte für ein leidenschaftliches Bekenntnis zur parlamentarischen Demokratie. „Trotz des enormen Entscheidungs- und Handlungsdrucks, unter dem Parlament und Regierung standen, blieb unser Parlament der Ort, an dem widerstreitende, aber legitime Interessen sichtbar wurden“, meinte die Soziologin mit Blick auf die Pandemiebewältigung. Das gebe Mut für die Zukunft. „Die Klimakrise, die Transformation der Wirtschaft, die Energiekrise – das werden Mammutaufgaben für Jahrzehnte werden.“

Applaus für Bernd Busemann (CDU): Der langjährige CDU-Parlamentarier und frühere Kultusminister geht in den Ruhestand.
Ihren Vorgänger Busemann würdigte Andretta als einen „Baumeister der Demokratie“, dessen „emsländische Beharrlichkeit“ es ermöglicht habe, den Umbau des Landtags im Zeitplan zu halten. Der 70-Jährige, der sechsmal in Folge sein Mandat direkt gewonnen hat, mahnte seine Kollegen, nicht zu vergessen, wen man hier vertrete: „Jedes Mal, wenn man diesen Plenarsaal betritt, ist das was Besonderes, vom Volk ins Parlament geschickt zu werden. Das Gefühl sollte uns alle nicht verlassen.“
Dabei gewährte der frühere Kultusminister auch persönliche Einblicke in sein langes Politikerleben. In seiner Zeit als Ressortchef habe er für ein Rauchverbot in den Schulen gesorgt. „Warst du das?“, mit diesen empörten Worten habe ihn seine Tochter, eine betroffene Berufsschülerin, damals zu Hause empfangen, berichtete Busemann. Die in dieser Anekdote versteckte Botschaft war allen Zuhörern klar: Die Interessen des Landes müssten immer Vorrang vor den persönlichen Befindlichkeiten haben.