In diesem Herbst entscheiden die Wählerinnen und Wähler in Niedersachsen, wer ihr Land künftig regieren soll. Eine Entscheidung, die in einer schwierigen Zeit getroffen werden muss. Wird die Pandemie weiterhin das Leben bestimmen? Was für Konsequenzen bringt der Krieg in der Ukraine? Und wem trauen die Menschen in Niedersachsen am ehesten zu, angesichts dieser Krisen politisch den richtigen Kurs zu fahren?
Diesen und vielen anderen Fragen sind der WESER-KURIER und andere niedersächsische Verlage zusammen mit dem Meinungsforschungsinstitut Forsa nachgegangen und haben Wählerinnen und Wähler gefragt, was sie im Wahljahr bewegt. Ergebnis ist der Niedersachsen-Check – ein repräsentatives, politisches Stimmungsbild aus dem Bundesland, das am 9. Oktober den neuen Landtag wählt. Und es ist ein Ergebnis, das mit Blick auf den möglichen Wahlausgang eine deutliche Tendenz zeigt.
Niedersachsen-Check: SPD und Grüne haben gute Chancen auf Wunschkoalition

Denn laut den ersten Ergebnissen des Niedersachsen-Checks kann Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) voraussichtlich auch nach der Landtagswahl am 9. Oktober weiterregieren – und zwar in seiner erklärten Wunschkoalition mit den Grünen. Demnach kämen die Sozialdemokraten im Land derzeit auf 34 Prozent der Stimmen. Das wären zwar 2,9 Prozentpunkte weniger als bei der vorangegangenen Wahl 2017. Aber die Grünen, deren Spitzenkandidatin Julia Willie Hamburg bislang zwar konkrete Koalitionsaussagen vermeidet, jedoch aus ihrer Präferenz für die SPD keinen Hehl macht, würden ihr Ergebnis von 8,7 auf 17 Prozent nahezu verdoppeln.
- Kommentar zum Niedersachsen-Check: Die Zeichen stehen auf Rot-Grün
Die CDU, derzeit unter Parteichef und Wirtschaftsminister Bernd Althusmann Partner in einer Großen Koalition mit der SPD, stürzt in der Erhebung von 33,6 Prozent auf 25 Prozent ab. Das wäre der schlechteste Wert für die Christdemokraten seit 1955. Die FDP könnte von 7,5 auf 8,0 Prozent zwar leicht zulegen, wäre aber damit aber noch weit vom zweistelligen Wahlziel ihres Spitzenkandidaten Stefan Birkner entfernt.
Die AfD würde sich trotz des heftigen internen Streits etwas verbessern: von 6,2 auf 7,0 Prozent. Die Linke bliebe mit 3,0 Prozent außen vor. Rechnerisch wären danach neben Rot-Grün auch eine Neuauflage der GroKo sowie ein Jamaika-Bündnis aus CDU, Grünen und FDP möglich.
Weil erhält deutlich mehr Zustimmung als Althusmann
Eine deutliche Mehrheit der wahlberechtigten Bürger wünscht sich allerdings weiter Stephan Weil als Ministerpräsident. Bei der Frage nach einer – in der Landesverfassung allerdings nicht vorgesehenen – Direktwahl zwischen ihm und seinem Herausforderer Althusmann würden sich insgesamt 39 Prozent für den Amtsinhaber entscheiden. Der CDU-Chef käme auf zwölf Prozent.
Während Weil von seinen SPD-Anhängern 87 Prozent erhält, erreicht der Wirtschaftsminister von seinen eigenen Leuten lediglich 44 Prozent. Einen Vorsprung für Weil gibt es auch bei der Beurteilung seiner Regierungsgeschäfte. 56 Prozent bekunden, dass sie mit seiner Arbeit zufrieden seien; 36 Prozent sehen das anders. Althusmann kommt auf eine Zustimmung von 41 Prozent; 39 Prozent sind mit dem Wirtschaftsminister unzufrieden.
„Natürlich freuen wir uns über dieses Zwischenergebnis. Gerade in dieser schwierigen Zeit empfinde ich das Vertrauen der niedersächsischen Bürgerinnen und Bürger in die Landesregierung – aber auch in die SPD – als Bestätigung unserer Arbeit", sagte Stephan Weil über die ersten Ergebnisse des Niedersachsen-Checks. "Die guten Werte sind jedoch keinesfalls ein Grund zum Ausruhen, ganz im Gegenteil: Wir werden weiterhin intensiv für Niedersachsen und die hier lebenden Menschen arbeiten.“
Niedersachsens CDU-Generalsekretär Sebastian Lechner nannte die Umfrageergebnisse eine für die Christdemokraten wenig überraschende Momentaufnahme. "Wir sind überzeugt, dass wir am 9. Oktober stärkste Fraktion werden."
Bei den Präferenzen für mögliche Regierungskonstellationen liegt Rot-Grün vorn. 23 Prozent der 2010 befragten Bürger bevorzugen dieses Modell. Eine Neuauflage der Großen Koalition von SPD und CDU wünschen sich dagegen nur 19 Prozent. Es folgt ein CDU/FDP-Bündnis mit 16 Prozent. Abgeschlagen sind eine Kenia-Koalition aus SPD, Grünen und FDP mit acht Prozent sowie ein Jamaika-Bündnis aus CDU, Grünen und FDP.
Corona-Pandemie bleibt für Niedersachsen größtes Problem
Als vordringlichstes Problem empfinden die Niedersachsen derzeit die Corona-Pandemie. 46 Prozent der Bürger betrachten die Pandemie mit Sorge, weitere acht Prozent die damit verbunden Einschränkungen. Es folgen hohe Preise mit 23 Prozent sowie Flüchtlinge mit 19 Prozent. Die Punkte Inflation und Migration sind nach Ansicht der Meinungsforscher wegen des russischen Angriffs auf die Ukraine ganz weit nach vorne gerückt. Der Krieg selbst landet mit 17 Prozent auf Platz vier.
Der Klimaschutz belegt mit 16 Prozent Rang fünf. Kriminalität und Arbeitslosigkeit rangieren dagegen mit jeweils nur zwei Prozent unter ferner liefen. Auch die Wohnungsnot sehen die Niedersachsen mit lediglich vier Prozent nicht als vordringliche Sorge an. Während sich bei den Altersgruppen nur geringe Unterschiede zeigen, fällt die Gewichtung zwischen den einzelnen Parteien anders aus. Corona steht vor allem bei Anhängern von SPD, CDU und Grünen ganz oben, die Migration dagegen bei den potenziellen Wählern der AfD.
Das Zutrauen in Niedersachsens Parteien, all diese Probleme lösen zu können, ist allerdings nicht allzu groß. Mit 29 Prozent erreicht die SPD noch den besten Wert. Die CDU landet mit 13 Prozent weit dahinter. Lediglich sechs Prozent sehen bei den Grünen diese Kompetenz, magere drei Prozent bei der FDP. 43 Prozent der Wahlberechtigten gaben „keine Partei“ an. Immerhin 82 Prozent der SPD-Anhänger trauen ihrer Partei zu, mit den Problemen am besten fertig zu werden. Von den CDU-Anhängern sagen das bei der eigenen Partei nur 58 Prozent.
Unter dem Eindruck der Schreckensbilder aus der Ukraine und der Folgen für die dortige Bevölkerung befürwortet mit 55 Prozent über die Hälfte der Niedersachsen einen Importstopp für Gas und Öl aus Russland – auch wenn dadurch die Preise für Strom, Gas, Benzin und Diesel weiter steigen würden. Am häufigsten sind die Anhänger der Grünen für diesen Schritt (75 Prozent). Die meisten Anhänger der AfD lehnen ihn dagegen ab (76 Prozent). Der Niedersachsen-Check hat die Bürger mit Blick auf Energiepolitik und Klimaschutz auch zu persönlichen Konsequenzen etwa beim Autofahren und Fleischkonsum befragt.