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Verstärkte Kontrollen angekündigt Tierquälerei? Duhner Wattrennen im Fokus

Seit Jahren wird die Traditionsveranstaltung vom Vorwurf der Tierquälerei begleitet. Während die Ermittlungen der Vorjahre noch laufen, sind bereits verstärkte Kontrollen für das diesjährige Rennen angekündigt.
19.02.2017, 00:00 Uhr
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Tierquälerei? Duhner Wattrennen im Fokus
Von Justus Randt

Seit Jahren wird die Traditionsveranstaltung vom Vorwurf der Tierquälerei begleitet. Während die Ermittlungen der Vorjahre noch laufen, sind bereits verstärkte Kontrollen für das diesjährige Rennen angekündigt.

Es ist ein Spektakel mit Tradition. Seit 1902 gibt es das Duhner Wattrennen, und am 16. Juli werden Traber und Galopper wieder an den Start gehen. Die Organisatoren scharren quasi schon mit den Hufen, auch wenn die Rennen aus den Jahren 2014 und 2016 juristisch noch nicht aufgearbeitet sind. Die Staatsanwaltschaft ­Stade hat nach Strafanzeigen der Tierrechtsorganisation Peta gegen die Veranstalter des Rennens ermittelt.

Mittlerweile steht der Verein für Pferderennen auf dem Duhner Watt allerdings nicht mehr im Brennpunkt der behördlichen Untersuchungen. Es geht um den – in Niedersachsen – verbotenen Einsatz von leistungssteigernden Hilfsmitteln wie Zungenbändern und Zugwatte, die den Tieren kurz vor dem Endspurt aus den Ohren gerissen wird.

Den im Zusammenhang mit den Rennen 2014 und 2016 erhobenen Vorwurf der Tierquälerei bringt Oberstaatsanwalt Kai Thomas Breas, Sprecher der Staatsanwaltschaft Stade, nun eher mit den „Pferdehaltern als unmittelbar Verantwortlichen“ in Verbindung. „Die Staatsanwaltschaft prüft, ob gegen sie ermittelt werden kann“, sagt er. „Es ist fraglich, ob es für ein strafrechtliches Verfahren ausreichen würde.“

Verstöße gegen das Tierschutzgesetz

Grundlage der Überprüfung ist die Auswertung einer ganzen Reihe von Fotos, die Peta 2014 und 2016 im Duhner Watt aufgenommen hatte. Mitarbeiter des Landesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (Laves) hatten die Bilder gesichtet und im Auftrag der Ermittlungsbehörde fachlich beurteilt. „Auf einigen wenigen Aufnahmen wurden Verstöße gegen das Tierschutzgesetz erkannt“, sagt Breas.

Edmund Haferbeck, Leiter der Rechtsabteilung von Peta Deutschland, interpretiert das Laves-Gutachten zum Rennen 2014 ganz anders: Es habe ergeben, „dass bei drei Reitern schwere Tierquälereien vorliegen“. Eine Reiterin und ein Reiter aus Nordrhein-Westfalen seien namentlich ermittelt. „Normalerweise müsste gegen diese, nach Gewährung rechtlichen Gehörs, Anklage erhoben beziehungsweise Strafbefehle beantragt werden.“

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2014 war das Veterinäramt des Landkreises Cuxhaven nicht eigens zu Tierschutz- oder Tiergesundheitskontrollen anwesend. Diese Aufgaben oblagen einem Tierarzt. 2015 wiederum war Peta nicht zugegen. „Da konnten wir nicht dabei sein, das ist für uns ein Riesenaufwand“, sagt Haferbeck.

Verbot von Zungenband gilt nur in Niedersachsen

Im vergangenen Jahr sollte sich das ­Desaster auf keinen Fall wiederholen: Das Landwirtschaftsministerium in Hannover pochte auf Einhaltung eines niedersächsischen Tierschutzerlasses aus dem Jahr 1998, der Zungenbänder und sogenannte akustische Peitschen in Niedersachsen aus dem Pferdesport verbannt. „Die Auflagen waren uns nicht bekannt“, hatte Rennvereins-­präsident Henry Böhack gesagt, der 2016 nach 42 Jahren die Geschicke des Rennens in jüngere Hände übergab.

Zum neuen Vereinsteam gehört auch Ralf Drossner als Öffentlichkeitsarbeiter: „Wir weisen unsere Sportteilnehmer auf das nur in Niedersachsen geltende Verbot von Zungenband und Zugwatte hin“, sagt er. 2016 seien die Kontrollen eigens verschärft worden. „Damit keiner mit Hilfsmitteln an den Start gehen konnte“, hätten alle Pferde zunächst „eine Traberbox“ passieren müssen, in der sie inspiziert wurden.

Niedersachsens Sozialministerin Cornelia Rundt wurde zum traditionellen Bügeltrunk mit dem Wattrenn-Präsidium und Cuxhavens Oberbürgermeister und Renn-Schirmherrn, Ulrich Getsch, erwartet. Auch die erst wenige Monate zuvor ernannte Landesbeauftragte für den Tierschutz, Michaela Dämmrich, war in Duhnen zugegen.

Tierquälerei beim Rennen 2016

Das Landwirtschaftsministerium in Hannover veranlasste zudem Kontrollen beim jüngsten Rennen. Bei einem gemeinsamen Gespräch mit dem Wattrenn-Verein und unter anderem dem Hauptverband für Traberzucht (HVT) war im Frühjahr die niedersächsische „Erlasslage von 1998“ bestätigt worden. Die Beteiligten warten gespannt auf das Ergebnis einer Untersuchung an der Freien Universität Berlin über die Auswirkungen von Hilfsmitteln im Pferdesport, die eigentlich schon zum Jahresende hatte vorliegen sollen.

Das Cuxhavener Kreisveterinäramt entsandte nach eigener Darstellung drei Mitarbeiter zu Tierschutzkontrollen ins Watt, um die Traber auf den Einsatz „tierschutzwidriger Hilfsmittel“ zu überprüfen. „Keines der kontrollierten Pferde war mit Zungenband oder herausziehbaren Ohrstöpseln ausgestattet. Auch andere tierschutzrechtliche Verstöße wurden beim Duhner Wattrennen 2016 nicht festgestellt.“

Das bescheinigte die Behörde dem Rennverein drei Tage nach der Veranstaltung im August schriftlich. Peta wiederum stellte erneut Strafantrag: Die Auswertung neuer Fotos in einem Sachverständigengutachten des Tierarztes Maximilian Pick aus Icking dokumentiere eindeutig Tierquälerei beim Rennen 2016, sagt Edmund Haferbeck.

Nächstes Duhner Wattrennen rückt näher

„Peta erstattet erst mal gegen alles Anzeige, was zwei Beine hat“, sagt Kai-Uwe Bielfeld, Landrat des Kreises Cuxhaven. „Das ist eine gesellschaftspolitische Aus­einandersetzung, die mit juristischen Mitteln geführt wird. Das Duhner Wattrennen ist Symbol dafür, dass Peta überhaupt keine Reitsportveranstaltungen will. Das ist unsere Erfahrung der vergangenen Jahre.“ Daraus machen die Tierrechtler kein Hehl: „Pferderennen sind grundsätzlich, egal wie, höchstgradige Tierquälerei“, hatte Haferbeck kurz vor dem Rennen im August 2016 gesagt.

Als Fachtierarzt für Pferde und für Tierschutz konnte Maximilian Pick bei der Beurteilung der ihm vorgelegten Fotos „nur wenige“ Pferde erkennen, „deren Zäumung nicht als Verstoß gegen das Tierschutzgesetz“, die Leitlinien des Bundeslandwirtschaftsministeriums und der Tierärztlichen Vereinigung für den Tierschutz (TVT) zu werten sei. „Vor allem ist die Kombination verschiedener tierschutzrelevanter Ausrüstungen zu kritisieren, da diese Schmerzen und Leiden der ohnehin durch das Rennen gestressten Pferde vergrößern“, heißt es in der Zusammenfassung des Gutachtens. Das wiederum wird nun im Auftrag der Staatsanwaltschaft vom Laves begutachtet.

Unterdessen rückt der Termin für das nächste Duhner Wattrennen näher. „Ich gehe davon aus, dass wir wieder dabei sind“, kündigt Edmund Haferbeck von Peta an. Und auch andere werden nicht zum Vergnügen in Duhnen sein. „Wir machen, was wir immer machen, und kontrollieren, dass keine verbotenen Hilfsmittel verwendet werden“, sagt Landrat Kai-Uwe Bielefeld. Und das Landwirtschaftsministerium kündigt an: „Das Laves wird diesmal den Einsatz des Kreisveterinäramtes flankieren.“

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