Stau und kein Ende. Auf der Autobahn 1 bröckelt der Asphalt, und die Verkehrsteilnehmer werden auf eine harte Geduldsprobe gestellt. Die Erneuerung der Fahrbahn auf rund acht Kilometern zwischen dem Dreieck Stuhr und der Anschlussstelle Brinkum macht die A1 zu einem Unfallschwerpunkt. Zwei Menschen sind dort seit Beginn der Arbeiten vor anderthalb Jahren umgekommen, es gab neun Schwer- und 87 Leichtverletzte.
Vom Baubeginn am 8. Februar bis Ende Mai hat die Autobahnpolizei Ahlhorn 279 Unfälle aufgenommen. Im vergangenen Jahreszeitraum, als an den Fahrbahnen in Richtung Hamburg gebaut wurde, wurden 163 Karambolagen gezählt. Am Ende der Bau-Etappe, im November 2017, waren es dann allerdings 508 Unfälle – 2015, noch ohne Baustelle, waren es 253. In diesem Jahr könnten es sogar 600 werden.
Die aktuelle Baustelle verlangt den Fahrern an besonderen Engstellen wie im Bereich der Anschlussstelle Brinkum einiges ab. Im Vergleich zur Baustelle im Vorjahr braucht es „vor allem ein bisschen mehr Aufmerksamkeit“, sagt Polizeisprecher Albert Seegers. „Dort wird es noch ein bisschen schmaler als sowieso schon.“
Oft komme es auch zu seitlichen Berührungen mit schwerwiegenden Folgen. „Wenn die Leute mal die Augen aufmachen würden, könnten sie lesen: Die linke Spur ist für Fahrzeuge mit maximal 2,10 Meter Breite zugelassen – die Wenigsten wissen, wie breit ihr Auto ist.“ Eine weitere Schikane sei, dass die Einmündung der A28 mitten in der A1-Baustelle liege.
Dennoch: Hauptursachen für Stauunfälle seien „Unachtsamkeit, dass der Sicherheitsabstand nicht eingehalten wird und sonstige Tätigkeiten, die nichts mit dem Fahren zu tun haben“, sagt Seegers und meint die Bedienung von Handys, Navigationsgeräten, MP3-Playern, CD-Spielern oder Laptops. „Dass, wie kürzlich, mal ein Reifenplatzer die Ursache ist, kommt ganz selten vor.“ Laut Landesbetrieb sind täglich 84.000 Fahrzeuge auf dem A 1-Abschnitt unterwegs, darunter fallen auch 14.600 Lastwagen und Busse.
Niedersächsische und Bremer Baustellen
Auch wenn dies sicher nicht die längste Autobahnbaustelle ist, groß ist sie allemal: „Die Grunderneuerung bedeutet: Alles muss raus und wieder rein“, beschreibt der Leiter des niedersächsischen Landesbetriebes für Straßenbau und Verkehr in Oldenburg, Joachim Delfs, das Gesamtvorhaben. „Dazu kommt, dass wir 15 Brücken auf der Strecke haben.“ Rund 45 Millionen Euro wird die Erneuerung kosten.
Die „Problemlage“ auf der A1 sei ein „Konglomerat aus niedersächsischen und Bremer Baustellen“, sagt Delfs. Zwischen dem Bremer Kreuz und Uphusen/Mahndorf beispielsweise wird seit Mai und voraussichtlich bis Oktober an der Brücke In den Ellern gearbeitet. In Absprache mit Bremen würden auch die rund zwei Kilometer zwischen Brinkum und der zu erneuernden Ochtumbrücke in die Verkehrsumleitung auf die Fahrspuren Richtung Hamburg einbezogen.
Das geschieht in diesen Tagen. Jörn Kück, Abteilungsleiter bei der Deutschen Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH (Deges), geht davon aus, dass im Juli mit den Abrissarbeiten im Auftrag des Bremer Amtes für Straßen und Verkehr (ASV) begonnen wird. Rund sieben Millionen Euro koste die Brücke, die Arbeiten dauerten rund anderthalb Jahre, sagt Kück.
Die Polizei ist zufrieden mit der Großbaustelle: Die Vier-plus-null-Verkehrsführung, bei der die je Fahrtrichtung zwei nutzbaren Spuren auf eine Seite der Autobahn gelegt sind, hat sich laut Polizeisprecher Albert Seegers „trotz des Aufwandes bewährt“. Auch wenn es häufig kracht: „Der Verkehrssicherheit tut das gut – besser ein paar Blechschäden mehr als Tote und Verletzte.“
Insgesamt seien, so Joachim Delfs, 24 LED-Hinweistafeln an der A1 aufgestellt worden, die vor Staus warnen und über die Staulänge informieren. Einige davon weit vor der Baustelle. „Das Problem sind die Autofahrer, die im Tran auf das Stauende fahren, leider immer wieder auch Lkw.“ ADAC-Sprecher Nils Linge appelliert an die Lastwagenfahrer, technische Hilfsmittel wie Abstands- und den Bremsassistenten zu nutzen.
„Häufig werden die Assistenten ausgeschaltet, weil sie den Lastwagen bei jedem einscherenden Auto ausbremsen“, weiß Linge. Tatsächlich bestehe keine Verpflichtung, diese einzuschalten. „Da muss der Gesetzgeber nachbessern“, fordert der ADAC. Niedersachsens Verkehrsminister Bernd Althusmann (CDU) hat dieses Rad just am vergangenen Freitag gedreht: Er forderte im Bundesrat „verbindliche Vorgaben für verbesserte Notbremssysteme“.