Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Fatale Gesetzeslücke Anschlag in Berlin: Unklarheit über Entschädigung

Wegen einer gesetzlichen Regelungslücke ist unklar, von wem und in welcher Höhe Verletzte des Anschlags von Berlin und die Angehörigen der Getöteten Entschädigung erhalten.
03.01.2017, 00:00 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Anschlag in Berlin: Unklarheit über Entschädigung
Von Christian Bommarius

Wegen einer gesetzlichen Regelungslücke ist unklar, von wem und in welcher Höhe Verletzte des Anschlags von Berlin und die Angehörigen der Getöteten Entschädigung erhalten.

Bei dem Attentat mit einem Lkw auf dem Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz waren zwölf Menschen getötet und 47 zum Teil schwer verletzt worden. Das Gesetz über die Entschädigung von Opfern (OEG) schließt jedoch ausdrücklich Zahlungen aus, wenn die Tat mit einem Kraftfahrzeug begangen wurde: „Dieses Gesetz ist nicht anzuwenden auf Schäden aus einem tätlichen Angriff, die von dem Angreifer durch den Gebrauch eines Kraftfahrzeuges oder eines Anhängers verursacht worden sind.“ Allerdings hatte Arbeits- und Sozialministerin Andrea Nahles (SPD) bereits vor einigen Tagen mitgeteilt, „dass jetzt jeder die Hilfe bekommt, die er braucht.“

"Fatale Lücke"

In diesem Zusammenhang hatte sie auf eine seit Längerem geplante Novellierung des Sozialen Entschädigungsrechts hingewiesen, zu dem auch das Opferentschädigungsgesetz gehöre. Ihr Ministerium hat einen entsprechenden Arbeitsentwurf vorbereitet, der im Januar an Ressorts, Verbände und Länder versandt werden soll. Ergäben sich aufgrund der Regelung des seit 1976 geltenden Opferschutzgesetzes Nachteile für die Betroffenen, werde das Ministerium prüfen, ob im Gesetzgebungsverfahren „Änderungen vorgenommen werden müssen“, hieß es in einer Mitteilung. Unklar ist jedoch, bis wann mit dem Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens zu rechnen ist.

Die „fatale Lücke“ des Gesetzes kritisierte der Opferbeauftragte des Landes Berlin, Roland Weber. Derzeit sei für die Opfer des Terroranschlags die Verkehrsopferhilfe zuständig, eine Einrichtung aus den 50er- und 60er-Jahren, sagte Weber im RBB-Inforadio. Der große Nachteil dabei sei, dass der komplette Vorfall als ein einziger Schadensfall gelte und die finanzielle Obergrenze in diesem Fonds pro Schadensfall bei insgesamt 7,5 Millionen Euro liege: „Das ist nicht allzu viel bei der Vielzahl von Toten und Verletzten hier.“ Es sei ja durchaus möglich, dass viele der Verletzten eine sehr langandauernde oder gar lebenslange Behandlung benötigten: „Die müssen sich dann das Geld teilen. Das kann sehr knapp werden.“

Eventuelle Härteleistungen beantragbar

In diesem Zusammenhang kritisierte Weber das Versprechen der Arbeitsministerin, Hilfe zu leisten. In einem Gespräch mit der „Welt“ sagte er: „Derzeit kann Andrea Nahles gar nicht helfen, ihr fehlt schlichtweg die rechtliche Grundlage. Dafür bräuchten wir ein Gesetzgebungsverfahren, das ist nicht in der Mache. Das sind höchst unverbindliche Worte von Frau Nahles. In 20 Jahren kann es sein – und da ist Frau Nahles längst im Ruhestand –, dass es heißt: Sorry, Leute, der Topf ist leer. Wir können nichts mehr für euch tun.“

Eventuell können die Opfer und Angehörigen jedoch sogenannte Härteleistungen beantragen. Der Deutsche Bundestag hatte nach den Anschlägen in Djerba im Jahr 2002 erstmals Opfern terroristischer Straftaten Haushaltsmittel zur Verfügung gestellt. Damit kann auf Antrag beim Bundesamt für Justiz in Bonn in Einzelfällen den Opfern unverzüglich geholfen werden. Schadensersatz wird hier jedoch nur für Körperschäden gezahlt, Vermögensgegenstände werden also nicht ersetzt. Anspruchsberechtigt sind unter anderem „Personen, die durch eine in Deutschland begangene terroristische Straftat verletzt wurden“, und „Eltern, Kinder, Ehe- und Lebenspartner solcher Opfer, die bei einem Terroranschlag getötet wurden“. Das Problem der Härtefallleistungen liegt allerdings darin, dass darauf kein Rechtsanspruch besteht. Darüber hinaus, sagt der Berliner Opferbeauftragte Weber, „reden wir im Regelfall von wenigen Tausend Euro pro Opfer: Das spielte zum Beispiel eine Rolle beim NSU-Prozess, daraus wurden den Nebenklägern teilweise die Fahrtkosten bezahlt.“

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)