Der Impfstoff des britisch-schwedischen Konzerns Astra-Zeneca ist „wirksam und sicher“. Dies teilte die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) in Amsterdam am späten Donnerstagnachmittag mit: „Der Nutzen beim Schutz vor Covid-19 ist größer als das Risiko.“ Es ist diese Formulierung, die von Seiten der EMA am Ende einer Prüfung genutzt wird, um der Europäischen Kommission als vorgesetzter Behörde und den 27 Mitgliedstaaten ein Medikament für die Zulassung zu empfehlen.
„Angesichts von europaweit rund 20 Millionen Impfungen mit dem Vakzin von Astra-Zeneca hat es 20 Vorkommnisse gegeben“, sagte EMA-Chefin Emer Cooke. Dies sei „deutlich weniger als erwartet“. Man habe auch einige sehr „spezielle“ Berichte über ungewöhnliche Verläufe untersucht und einzeln geprüft. Es gebe jedoch bisher keinen „zwingenden Schluss“, dass zwischen den aufgetretenen Blutgerinnseln und dem Impfstoff ein ursächlicher Zusammenhang bestehe. Man werde deshalb die Situation weiter beobachten und eine zusätzliche Warnung vor Thrombosen in den Hirnvenen als mögliche Nebenwirkungen aufnehmen.
Nutzen sehr viel größer als potenzielle Risiken
Auch die Vorsitzende des Prüfungsausschusses, Sabine Strauss, bezeichnete den Nutzen des Impfstoffes als „sehr viel größer“ als die potenziellen Risiken. Vor diesem Hintergrund verzichtete die EMA darauf, das Vakzin nur für bestimmte Altersgruppen oder Menschen ohne besondere Vorerkrankungen vorzusehen. Astra-Zeneca geht also mit einem Blankoscheck aus der EMA-Prüfung heraus und steht für die weitere Impf-Kampagne in den Mitgliedstaaten uneingeschränkt zur Verfügung.
Für die EMA sind solche Verdachtsfälle keine neue Herausforderung. Innerhalb der Behörde wurde schon vor Jahren ein spezielles Gremium, der sogenannte Pharmakovigilanz-Ausschuss, eingerichtet, dem Arzneimittel-Experten aus allen Mitgliedstaaten angehören. Dieser Kreis zog bei der Prüfung von Astra-Zeneca mehrfach internationale Medizinexperten für Thrombose-Erkrankungen hinzu. Bei dem Prüfprozess der EMA werden beobachtete und erwartete Nebenwirkungen eines Präparates einander gegenübergestellt und dann gefragt, ob sich bestimmte Erkrankungen bei Geimpften auffällig häufen. Laut EMA ist die Anzahl der thromboembolischen Ereignisse bei geimpften Personen insgesamt nicht höher als bei der Allgemeinbevölkerung.
Paul-Ehrlich-Institut verteidigt erneute Überprüfung
Trotzdem verteidigten sowohl die EMA wie auch das Paul-Ehrlich-Institut, das für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel in Deutschland zuständig ist, die erneute Überprüfung. Der Grund: Angesichts von rund 1,6 Millionen verimpfter Astra-Zeneca-Dosen in der Bundesrepublik hatten die Fachleute mit nur einem Fall von Thrombosen in den Hirnvenen gerechnet. Tatsächlich waren es aber sieben. Nach den Regeln wird damit sofort ein Sicherheitssignal ausgelöst, das zu einem erneuten Prüfprozess führt. Auch wenn sich mehr Thrombosen im Gehirn als erwartet gezeigt haben, wird dies allerdings nicht automatisch als Beweis dafür gesehen, dass die Impfung die Ursache ist. Das soll nun in fortlaufenden und begleitenden Studien erforscht werden.
Für die EU-Mitgliedstaaten bedeutet die EMA-Entscheidung eine große Erleichterung. Zwar liegt die EU-Kommission mit dem Hersteller ohnehin noch im Clinch, weil das Unternehmen von den ursprünglich vereinbarten 180 Millionen Dosen seines Impfstoffes im zweiten Quartal nur 70 Millionen bereitstellen will. Aber trotzdem werden auch die dringend benötigt. Brüsseler Experten hatten errechnet, dass ein Ausfall des Astra-Zeneca-Vakzins die Impf-Kampagne um bis zu einem Monat zurückwerfen würde, weil dann nur noch drei Präparate zur Verfügung stünden. Mit dem Spruch der EMA vom Donnerstag ist diese Gefahr abgewendet.
Spahn verteidigt Vorgehen Deutschlands
In Deutschlands sollen nun die Corona-Impfungen mit dem Präparat von Astra-Zeneca schnell wieder aufgenommen werden – aber mit einem neuen Warnhinweis. Ziel sei, dass an diesem Freitag wieder mit dem Spritzen des Wirkstoffs begonnen werden könne, teilte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Donnerstagabend nach dem Votum der EMA und Beratungen mit den Ländern mit. Zudem verteidigte Spahn das deutsche Vorgehen im Zusammenhang mit dem Impfstoff von Astra-Zeneca. „Uns bestätigt die Analyse der EMA in unserem Vorgehen“, sagte Spahn in Berlin. „Es war richtig, die Impfungen mit Astra-Zeneca vorsorglich auszusetzen, bis die auffällige Häufung der Fälle dieser sehr seltenen Thombosenart analysiert worden ist.“
13 Thrombosefälle nach Astra-Zeneca-Impfung
Nach dem vorsorglichen Stopp der Corona-Impfungen mit dem Mittel des Herstellers Astra-Zeneca sind weitere Vorfälle in Deutschland bekannt geworden. Inzwischen gebe es 13 gemeldete Fälle von Blutgerinnseln (Thrombosen) in Hirnvenen in zeitlichem Zusammenhang zu Impfungen, wie das Bundesgesundheitsministerium am Donnerstag mitteilte. Drei Patienten seien gestorben. Insgesamt handele es um zwölf Frauen und einen Mann zwischen 20 und 63 Jahren. Trotz der hohen Zahl von mehr als 1,6 Millionen Impfungen mit Astra-Zeneca ist dies demnach überdurchschnittlich viel.