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Kommentar über den Atomstreit Atomstreit mit dem Iran: Nach dem Abkommen ist vor dem Abkommen

Der Machtwechsel in den USA hat im Atomstreit zu ersten vorsichtigen Gesprächen zwischen Washington und Teheran geführt. Doch der Iran glaubt am längeren Hebel zu sitzen, meint Birgit Svensson.
24.02.2021, 05:00 Uhr
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Atomstreit mit dem Iran: Nach dem Abkommen ist vor dem Abkommen
Von Birgit Svensson

Die Iraner meinen, am langen Hebel zu sitzen und stellen sich erst mal stur. Eine richtige Entscheidung sei das, sie reiche aber nicht aus. So lautet die Reaktion auf die jüngsten Initiativen der US-Regierung aus Teheran. US-Präsident Joe Biden hatte drei Briefe der Regierung von Donald Trump an den UN-Sicherheitsrat für ungültig erklärt. Darin hatte die Trump-Regierung nach ihrem einseitigen Ausstieg aus dem Atomabkommen mit dem Iran vergeblich gefordert, dass sämtliche UN-Sanktionen gegen den Iran wieder in Kraft gesetzt werden.

Jetzt die Rolle rückwärts: Es werden keine neuen Sanktionen gegen den Iran in Kraft gesetzt. Außerdem werden Reisebeschränkungen für iranische Diplomaten in den USA aufgehoben, darunter für Außenminister Dschawad Sarif. Eine erste verbindliche Geste, kommentiert dieser, mehr nicht. Der Iran will mehr, nämlich die Aufhebung aller Sanktionen, so wie es 2015 im Vertrag ursprünglich vereinbart wurde.

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Teheran hatte nach dem US-Ausstieg aus dem Atomabkommen 2018 ein Jahr abgewartet. Danach hatte der Iran gezielt gegen die Auflagen verstoßen. Die Drohung, die im Raum steht: Sollten die USA ihre Sanktionen nicht gänzlich aufheben, wird der Iran seine Zusammenarbeit mit den Inspektoren der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) in Wien erheblich reduzieren. Zusätzlich will man sich nicht mehr an das Zusatzprotokoll halten, das den IAEA-Inspektoren kurzfristige Besuche in verdächtigen Atomanlagen erlaubt. Sarif betont, die Position des Irans sei aber unverändert: „Der Iran ist zur sofortigen Rücknahme seiner Verstöße gegen das Atomabkommen bereit, sobald Sanktionen aufgehoben werden.“ Irans Außenminister ist USA-Kenner, wurde an der University of Denver in den Fächern Internationales Recht und Politikwissenschaft promoviert. Er weiß, wie man politisches Monopoly spielt.

Erst nach jahrelangen Debatten hatten sich die fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats und Deutschland mit dem Iran auf ein Atomabkommen geeinigt. Es erlaubte dem Land die zivile Nutzung der Atomtechnologie, zugleich aber verhinderte es die Entwicklung von Atomwaffen. Andere Waffen und vor allem Raketen wurden dabei nicht berücksichtigt. Sarif sprach damals von einem historischen Moment.

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Für die Zusagen Teherans sollten die bereits verhängten Sanktionen gegen Iran schrittweise aufgehoben werden, je nachdem, wie die Atomenergiebehörde in Wien die Lage beurteile. Zuerst sollten die Wirtschafts- und Finanzsanktionen aufgehoben werden, die innerhalb der Bevölkerung unmittelbar spürbar sind. Das Waffenembargo gegen den Iran sollte dagegen weitere fünf Jahre bestehen bleiben, die Maßnahmen gegen das Raketenprogramm des Landes weitere acht Jahre. Doch obwohl die Wiener Atomkontrolleure dem Iran stets Vertragstreue bescheinigten, blieb US-Präsident Trump auf Konfrontationskurs, verschärfte ihn sogar. Unzählige Male war er kurz davor, den Iran anzugreifen. Nur mit Mühe konnte er von seinen Militärs zurückgehalten werden. 2018 kam der endgültige Bruch mit Teheran.

Freilich hat die Expansionspolitik des Iran der vergangenen Jahre, sei es im Irak, in Syrien, im Libanon, im Jemen oder im Gazastreifen, bei den anderen Ländern in der Region viel Schrecken hervorgerufen, ganz zu schweigen von der fundamentalistischen Saat des schiitischen Islam, den Teheran seit der Revolution 1979 exportiert. Mit seinen Al-Kuds-Brigaden mischt der Iran in Kriegen mit, fördert Terrororganisationen, schickt Raketen für Angriffe auf die Erzfeinde Saudi-Arabien und Israel. Eines aber kann man Teheran nicht vorwerfen: dass es das Atomabkommen gebrochen hat. Erst nach dem Austritt der USA und der Androhung weiterer Sanktionen verkündete Teheran die Wiederaufnahme der Anreicherung von Uran über das Maß eines Reaktors hinaus. Jetzt aber, in letzter Minute, fand der Chef der Atomenergiebehörde eine Übergangslösung für drei Monate. Die Wiener dürfen weiter die iranischen Atomanlagen kontrollieren, allerdings nicht mehr so intensiv wie früher. Nach dem Abkommen ist vor dem Abkommen.

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