Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Berlin und Paris Ziemlich komplizierte Freunde

Zahlreiche Unstimmigkeiten gibt es derzeit im Verhältnis zwischen Deutschland und Frankreich, meint Birgit Holzer.
18.01.2025, 05:00 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Von Birgit Holzer

Es war eine ganz grundsätzliche Frage, die ein zugeschalteter Hörer beim Radiosender France Info aufwarf: Warum nur, wollte er wissen, stellen französische Politiker Deutschland so oft als Vorbild dar? Sie ist berechtigt, denn der Nachbar rechts des Rheins wird oft wie ein unerreichbares Vorbild präsentiert, ob in Sachen Arbeitslosigkeit oder Budgetdisziplin.

Zwar gibt es auch jene, die ein Schreckensbild zeichnen, wie der Linkspopulist Jean-Luc Mélenchon, Autor des antideutschen Pamphlets „Bismarcks Hering (das deutsche Gift)“, oder die Rechtsextreme Marine Le Pen, die vor einer Dominanz durch Berlin warnt, um ihre nationalistischen Reflexe zu rechtfertigen. Doch seit Jahren nutzen Medien wie auch Verantwortungsträger von den Ex-Präsidenten Nicolas Sarkozy und François Hollande bis zum aktuellen Amtsinhaber Emmanuel Macron regelmäßig die Verweise auf das „deutsche Modell“ als Referenz für Frankreich.

Gutes Bild vom Nachbarland

Nicht immer zu Recht. Anders als die deutsche Wirtschaft wuchs die französische auch in den vergangenen zwei Jahren leicht und die Staatsbahn SNCF hat deutlich bessere Pünktlichkeitsquoten. Gerade die Probleme der Deutschen Bahn überraschen in Frankreich. Dort herrscht überwiegend ein gutes Bild vom Nachbarland, das sich laut einer neuen Umfrage sogar verbessert: Hatten 2012 noch 82 Prozent der Befragten eine positive Meinung, so sind es nun 88 Prozent. Paradoxerweise sagt zugleich gut die Hälfte der Menschen, Deutschland nicht zu mögen, während nur ein Drittel die Bundesrepublik überhaupt kennt.

Beides hängt miteinander zusammen: Besonders aufgeschlossen zeigen sich die Bewohner der grenznahen Region Grand Est sowie all jene, die die deutsche Sprache beherrschen. Die Zahl der Lernenden wie der Lehrenden sinkt allerdings seit Jahren, was umgekehrt auch in Deutschland zutrifft. Trotz aller politischen Zusicherungen, speziell im Aachener Vertrag als Zusatz zu dem am 22. Januar 1963 unterzeichneten Élysée-Freundschaftsvertrag, gelang es nicht, diesen Trend umzukehren.

Akzeptanz des Verschiedenseins

Das ist beunruhigend, weil die Sprache der Schlüssel für den Zugang zum jeweils anderen und letztlich für die Akzeptanz des Verschiedenseins ist. Auch auf höchster politischer Ebene ist dieses gegenseitige Verständnis unverzichtbar und eine Voraussetzung dafür, dass der oft zitierte deutsch-französische Motor läuft – was derzeit bezweifelt werden muss. Zahlreich sind die Unstimmigkeiten, von der gegensätzlichen Haltung zur Nuklearenergie bis zur Frage nach einer angemessenen Antwort auf Strafzölle durch China oder die USA.

Solche Unterschiede gab es stets; nun kommt hinzu, dass beide Regierungen mit zu großen nationalen Problemen kämpfen, um noch als starkes deutsch-französisches Tandem und Taktgeber für die EU fungieren zu können. Die Koalition in Berlin rang seit dem russischen Angriff auf die Ukraine 2022 mit der Neuausrichtung der militärischen Linie und der Energiekrise, aber auch mit sich selbst bis zum spektakulären Bruch im November.

Unversöhnliche Blöcke

Frankreich hat innerhalb des vergangenen Jahres viermal den Premierminister gewechselt und ist weiterhin politisch instabil. Seit den vorgezogenen Parlamentswahlen im Sommer 2024 ist die Nationalversammlung in drei große unversöhnliche Blöcke gespalten. Das Land hat noch immer keinen Haushalt für 2025, der der galoppierenden Verschuldung Einhalt gebieten könnte.

Macrons Schwächung wirkt sich auf seine internationale Rolle aus, Deutschland befindet sich im Wahlkampf – ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, an dem die Wiederwahl Donald Trumps zum US-Präsidenten und Wladimir Putins hybrider Krieg gegen die EU ein geeintes Auftreten erfordern. Die Rechtsextremen bauen derweil ihre Macht aus und erhöhen den Druck auf das System.

Doch Hoffnung gibt es: Sie liegt in der Jugend. In der bereits erwähnten Studie ist der Blick auf Deutschland der 18- bis 24-Jährigen in Frankreich nicht nur positiver als der Gesamtbevölkerung, sie kennen das Land auch besser. Das ist die Grundvoraussetzung für eine starke Achse Paris – Berlin in der Zukunft. Genau sie bleibt fundamental für beide Länder.

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)