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Deutliche Mehrheit EU friert Geld für Ungarn ein

Die EU-Staaten wollen 6,3 Milliarden Euro aus dem Haushalt vorerst nicht an Budapest auszahlen. Weil Viktor Orban aber auch noch auf Corona-Hilfen wartet, gab er seine Blockade bei zwei Gesetzesvorhaben auf.
13.12.2022, 19:25 Uhr
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EU friert Geld für Ungarn ein
Von Katrin Pribyl

Es dauerte nur eine Nacht, bis Viktor Orban in die Offensive ging. Von Januar an sollen die Renten in Ungarn um 15 Prozent erhöht werden, verkündete der ungarische Ministerpräsident am Dienstagvormittag. Sollten die guten Nachrichten für einen Teil seiner Wähler die Schlappe kaschieren, die seine Regierung in der Nacht zuvor auf europäischer Ebene einstecken musste? Es war 22.36 Uhr am späten Montagabend, als die tschechische EU-Botschafterin per Twitter die überraschende Kunde bekannt gab: „Megadeal!“

Die Vertreter der EU-Mitgliedstaaten hatten sich endlich geeinigt. Zum einen stand eine Mehrheit gegen Ungarn. Zum anderen erreichten die Partner einen Durchbruch bei zwei Gesetzesvorhaben, die Budapest bisher blockiert hatte. So bewilligte der Rat das 18 Milliarden Euro schwere Hilfskreditpaket für die Ukraine. Zudem verständigten sich die Staatenvertreter auf eine Richtlinie zur Umsetzung einer globalen Mindeststeuer von 15 Prozent für Großunternehmen. Ziel der Richtlinie ist es, die Verlagerung von Unternehmensgewinnen in Steueroasen zu verhindern. Internationale Firmen mit mindestens 750 Millionen Euro Umsatz pro Jahr sollen demnach unabhängig von ihrem Sitz mindestens 15 Prozent Steuern zahlen.

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Die wichtigste Botschaft aber lautete: Die EU ist wieder handlungsfähig, Ungarn dagegen war völlig isoliert. Orbans „Erpressungsversuche“, wie Beamte die Widerstandstaktik frustriert bezeichneten, waren gescheitert. Erstmals in der Geschichte der Gemeinschaft wird der Rechtsstaatsmechanismus angewendet. Das Instrument erlaubt es der EU, einem Land Fördermittel zu kürzen oder zu streichen, wenn die Gefahr besteht, die Gelder könnten missbräuchlich verwendet werden.

Seit Wochen spielten sich die EU-Kommission als Hüterin der Verträge und die Mitgliedstaaten den Ball hin und her. Die Sorge war vor allem im Rat groß, dass keine Mehrheit für eine Entziehung von Mitteln zustande kommt. Schlussendlich fiel sie deutlich größer aus, als Diplomaten erwartet hatten – dank eines Kompromisses. Die Mitgliedstaaten senkten in der noch formal zu beschließenden Einigung den Betrag, der nun für Budapest eingefroren wird, von 7,5 auf 6,3 Milliarden Euro. Das entspricht 55 Prozent der Mittel aus drei Programmen zur Förderung benachteiligter Regionen, die Ungarn bis 2027 zustehen. Die Kommission hatte ursprünglich empfohlen, 65 Prozent und damit 7,5 Milliarden Euro aus jenen Kohäsionsfonds zurückzuhalten. Einige Länder wollten aber die bisherigen Zugeständnisse Ungarns anerkennen, ergo die vorsichtig versöhnliche Geste.

Erleichterung im Parlament

Im EU-Parlament herrschte Erleichterung. Manfred Weber (CSU), Chef der Europäischen Volkspartei (EVP), sprach gegenüber dieser Zeitung von einem „historischen Tag“. Die Entscheidung, jenen kein Geld mehr zu geben, „die unsere Prinzipien nicht einhalten“, sei „eine fundamentale Weichenstellung für die Zukunft Europas“, so Weber. Der EU-Abgeordnete Daniel Freund (Grüne) erkannte einen „hellen Funken Hoffnung für Europas Werte“. Der Schritt sende ein klares Zeichen, sagte die EU-Parlamentsvizepräsidentin Katarina Barley (SPD): „Wer die Demokratie untergräbt, wird finanziell abgestraft.“ Korruption müsse hart bekämpft werden.

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Sie verwies auf den mutmaßlichen Korruptionsskandal um die Griechin Eva Kaili, der gerade das hohe Haus erschüttert. Das Parlament habe diese Woche bewiesen, wie mit Vorfällen in den eigenen Reihen umgegangen werden müsse: „Da wird man wegen Korruption aus Ämtern entfernt und strafrechtlich verfolgt. In Ungarn wird der Korrupteste Ministerpräsident.” Jahrelang forderten die EU-Abgeordneten von der Kommission mehr Härte gegen Budapest. „Der Kuschelkurs mit den Rechtsstaatsfeinden ist beendet“, befand der FDP-Europaparlamentarier Moritz Körner. Der Liberale betonte, die Bedeutung des Beschlusses reiche weit über Ungarn hinaus. „Die EU ist kein Selbstbedienungsladen, sondern eine Rechtsgemeinschaft, die sich zu wehren weiß.“

Warten auf Corona-Hilfen

Obwohl Budapest 82 Prozent des ungarischen Anteils am EU-Aushalt ausgezahlt bekommt, wurden 18 Prozent ausgesetzt. Außerdem bleiben die Konjunkturmittel auf Eis gelegt. Dies dürfte der Grund sein, warum die ungarische Regierung bei den anderen Punkten einlenkte. Orban wartet nämlich weiter auf Corona-Hilfen in Höhe von 5,8 Milliarden Euro. Die Überweisung der ersten Tranche bleibt an die Erfüllung von 27 sogenannten „Supermeilensteinen“ geknüpft. Es handelt sich um Maßnahmen, mit denen die rechtsnationale Regierung die weit verbreitete systemische Korruption bekämpfen und die Unabhängigkeit der Justiz wiederherstellen soll. Sobald die Meilensteine nach Einschätzung der Kommission erfüllt sind, werden automatisch auch die eingefrorenen Kohäsionsmittel wieder frei.

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