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Frankreich François Bayrou ist neuer Premier

François Bayrou wurde zum siebten Premierminister in Emmanuel Macrons Amtszeit ernannt. Kann er die politische Blockade in Frankreich überwinden? Die Zukunft des Präsidenten könnte davon abhängen.
13.12.2024, 19:24 Uhr
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Von Birgit Holzer

Dreimal hat er vergeblich versucht, sich zum französischen Präsidenten wählen zu lassen. Nun wurde François Bayrou zum Premierminister ernannt, dem bereits siebten in der siebeneinhalb Jahre währenden Amtszeit von Emmanuel Macron. Als Chef der proeuropäischen liberalen Zentrumspartei Mo-Dem (Mouvement Démocrate, übersetzt „Demokratische Bewegung“) ist Bayrou für die Menschen in Frankreich ein Altbekannter, gilt als eines der politischen Urgesteine schlechthin. Der Bürgermeister der südwestfranzösischen Stadt Pau, Sohn eines Kleinbauern am Fuß der Pyrenäen, hat anders als viele andere französische Spitzenpolitiker keine Elitehochschule absolviert und war bereits in den 1990er-Jahren in drei konservativen Regierungen Erziehungsminister.

Indem er die Mitte verkörpert, befindet sich Bayrou in ideologischer Nähe zu Macron, auch wenn sich beide Männer zuletzt voneinander entfernt haben. Der Präsident tat sich erkennbar schwer mit der Entscheidung, die eigentlich zunächst bis Donnerstagabend, dann bis Freitagvormittag angekündigt war. Dass sie selbst dann noch weiter hinausgezögert wurde, zeigte für Beobachter die Unschlüssigkeit Macrons, obwohl Bayrou als einer der Favoriten für den Posten gegolten hatte.

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Für einen echten Neuanfang steht der 73-Jährige allerdings ebenso wenig wie sein unmittelbarer Vorgänger, der gleichaltrige Michel Barnier. Der konservative Ex-EU-Kommissar war in der vergangenen Woche nach nur drei Monaten im Amt von der vereinten Opposition aus linken und grünen Parteien sowie dem rechtsextremen Rassemblement National (RN) per Misstrauensvotum gestürzt worden, ohne dass ein Budgetentwurf mit den vorgesehenen Sparmaßnahmen für 2025 beschlossen werden konnte.

Ein Übergangsgesetz soll zwar einen Shutdown verhindern, doch politisch bleibt die Lage heikel. Macron und seine Verbündeten, zu denen auch Bayrous Partei gehört, verfügen seit den Parlamentswahlen im Juli über keine eigene Mehrheit in der Nationalversammlung mehr. Durch die Ernennung von Barnier und mehreren konservativen Ministern konnte er die Republikaner auf seine Seite ziehen, doch verfügen diese nur über 47 Sitze in der Nationalversammlung. Barnier war es nicht gelungen, die eigene Machtbasis zu vergrößern. Ob Bayrou, dem ein starker Charakter nachgesagt wird und der zudem über viel Erfahrung verfügt, nun als Brückenbauer fungieren kann? Davon hängt nicht zuletzt auch das politische Schicksal Macrons ab.

Dieser hat in einer Fernsehansprache vor einer Woche versichert, er werde nicht vor dem regulären Ende seiner Amtszeit im Frühjahr 2027 aufhören. Doch viele Optionen bleiben ihm nicht, um die aktuelle Blockadesituation zu überwinden. Die Nationalversammlung kann er frühestens im nächsten Sommer wieder auflösen. Schwebte ihm seit Längerem eine Form von großer Koalition mit Persönlichkeiten von links bis rechts der Mitte vor, so erwiesen sich Gespräche mit allen Parteien außer dem rechtsextremen RN und der Linkspartei LFI (La France Insoumise, „Das widerspenstige Frankreich“), die von vorneherein ausgeschlossen wurden, als wenig fruchtbar. Auch die Personalie Bayrou wird kaum etwas daran ändern, dass es erneut zu einer Mitte-rechts-Regierung kommen dürfte, da Vertreter des linken Spektrums für die Regierungsarbeit nicht zur Verfügung stehen.

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Die Sozialisten kündigten am Freitag an, in der Opposition zu verbleiben. Sie wollten den Regierungschef stellen, forderten aber ein Wiederverhandeln der unpopulären Rentenreform – ein Tabu für Macron. „Indem er erneut einen Premierminister aus seinem eigenen Lager wählt, verschlimmert der Präsident die politische und demokratische Krise“, kritisierte die Partei in einem Kommuniqué. Zugleich stellte sie in Aussicht, Bayrous Regierung nicht zu stürzen, sollte er im Gegenzug auf die Verwendung des Verfassungsparagrafen 49.3 verzichten, mit dem Gesetze am Parlament vorbei beschlossen werden können. Die Linkspartei LFI kündigte an, gegebenenfalls für einen Misstrauensantrag gegen Bayrou zu stimmen. Die RN-Fraktionsvorsitzende Marine Le Pen warnte, die Fortsetzung von Macrons Kurs „kann nur in eine Sackgasse führen“.

François Bayrous Entscheidung im Wahlkampf 2017, nicht den konservativen Kandidaten François Fillon zu unterstützen, sondern Macron, damals noch ein politischer Newcomer mit einer eigenen, neu gegründeten Partei, galt damals als wichtige Trendwende und einer der Gründe für Macrons Sieg. In dessen erster Regierung wurde Bayrou Justizminister, musste aber nach nur einem Monat im Amt zurücktreten, weil gegen ihn und weitere Mo-Dem-Politiker wegen des Verdachts ermittelt wurde, EU-Gelder missbraucht zu haben, indem Parteiangestellte als Assistenten von EU-Abgeordneten deklariert und bezahlt wurden. Wegen ähnlicher Vorwürfe, wenn auch in weitaus größerem Ausmaß, standen kürzlich auch Le Pen und weitere RN-Parteikader vor Gericht – das Urteil steht noch aus. Bayrou wurde im Gegensatz zu einigen seiner Parteifreunde freigesprochen. Sein großer Ehrgeiz galt dadurch weiterhin als ungebrochen. Nun dürfte er vorerst befriedigt sein.

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