Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Großbritannien Keir Starmer nach 100 Tagen unter Druck

Keir Starmer, neuer britischer Premier, steht nach 100 Tagen im Amt unter Druck. Geschenkeaffäre und sinkende Umfragewerte belasten seine Regierung. Wird er die versprochene Erneuerung liefern?
12.10.2024, 05:00 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Von Susanne Ebner

Wir haben es geschafft“, rief der frisch gewählte britische Premierminister Keir Starmer Anfang Juli seinen jubelnden Anhängern vor Downing Street Nummer  10 zu. Der 62-Jährige kündigte nach der landesweiten Wahl, bei der die Sozialdemokraten klar gegen die konservativen Tories gewonnen hatten, eine „Ära der nationalen Erneuerung“ an. Er versprach, das marode Gesundheitssystem NHS auf Vordermann zu bringen, stellte bessere Arbeitsbedingungen und niedrigere Energiekosten in Aussicht. Doch schon damals war klar, dass es nicht ausreichen würde, Reformen anzustoßen und Gesetze zu verabschieden.

In der Öffentlichkeit ist der Eindruck entstanden, dass Politiker nur auf ihr eigenes Wohl bedacht sind und die Sorgen der Bevölkerung nicht verstehen. Diesem Eindruck wollte Starmer entgegenwirken. Nach 14 Jahren unter den konservativen Tories wollten sie in Whitehall, wie die Umgebung der Downing Street und die dort befindlichen Ministerien und Behörden genannt werden, aufräumen, Filz und Korruption beseitigen. Starmer hatte die Messlatte für seine Partei in dieser Hinsicht hoch gelegt. Er hatte sich vorgenommen, die Dinge anders zu machen. Gelungen ist ihm dies in der Wahrnehmung vieler Briten in seinen ersten 100 Tagen im Amt nicht.

Vor wenigen Wochen wurde bekannt, dass der Premier in den vergangenen Jahren Geschenke im Wert von mehreren Zehntausend Pfund angenommen hatte, darunter Designer-Brillen, teure Kleider für seine Frau und einen Platz in der Loge seines Lieblingsvereins FC Arsenal. Obwohl Ex-Premier Boris Johnson alleine für Renovierungsarbeiten in der Downing Street im Jahr 2020 mehr Geld ausgegeben hatte und diese überwiegend durch Spenden finanzierte, nahm die Öffentlichkeit zu Recht Anstoß an den Zuwendungen. Denn Labour muss höhere moralische Standards erfüllen. Knapp 100 Tage nach Starmers Amtsantritt liegen die Sozialdemokraten in Umfragen mit 29 Prozent nur noch einen Prozentpunkt vor den Konservativen, bei der Wahl im Juli waren es noch zehn Prozentpunkte.

Doch nicht nur der Vertrauensverlust macht den britischen Sozialdemokraten zu schaffen. Im Wahlkampf hatte Labour Wandel versprochen und damit eine Botschaft gehabt. Doch jetzt fehlt eine klare Richtung. Ohne den Haushalt, der erst Ende Oktober veröffentlicht wird, und die darin enthaltenen Steuer- und Ausgabenpläne fehlt den Menschen eine Vorstellung von dem, was geplant ist.

So ist ein Vakuum für schlechte Nachrichten entstanden. Angenommene Geschenke oder die geplante Kürzung des Heizkostenzuschusses für Senioren haben unverhältnismäßig viel Aufmerksamkeit erregt. Für die Partei ist das ­ärgerlich, denn zu behaupten, die Regierung habe nichts erreicht, ist nicht richtig. So haben sich etwa die Beziehungen und der Ton zwischen Großbritannien und der EU unter Labour deutlich verbessert. Das Verhältnis ist offener und freundlicher geworden, wie das Treffen zwischen Starmer und Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vergangene Woche in Brüssel gezeigt hat. Da Labour aber wie zuvor die Tories weiterhin einen Beitritt zur Zollunion und zum Binnenmarkt ausschließt, fragt man sich in EU-Kreisen nach wie vor, wohin die Reise geht. Statt großer Schritte sind wohl eher kleine Anpassungen und informelle Absprachen geplant.

Und: Wo viele Briten eine innenpolitische Mission vermissen, hat die Partei grundsätzlich viel vor. So plant Labour den Bau von 1,5 Millionen Wohnungen. Zudem sind Investitionen in erneuerbare Energien und Reformen des Arbeitsrechts angekündigt worden. Das Problem: Die Vorteile dieser Initiativen sind noch nicht spürbar, da sie sich noch in der Implementierungsphase befinden. Die Umsetzung braucht Zeit.

Es gibt also Potenzial für eine positive Entwicklung. Starmer hat sich immer schnell angepasst, Herausforderungen angenommen und weitergemacht. Für Labour ist es wichtig, in den kommenden Monaten möglichst viele Gesetze durchs Parlament zu bringen, ehe Hinterbänkler in den eigenen Reihen beginnen, Fraktionskämpfe in der Partei zu provozieren.

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)