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Wird der CSU-Politiker EU-Parlamentschef? Spekulationen über Manfred Webers Zukunft

Manfred Weber könnte der neue Präsident des EU-Parlamentes werden. Aber ihm werden auch Pläne für eine weitere Karriere in der CSU nachgesagt. Beide Vorhaben sind riskant.
02.07.2021, 19:55 Uhr
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Spekulationen über Manfred Webers Zukunft
Von Detlef Drewes

Manfred Weber sagt nicht „Ja“. Noch nicht. Es ist zu früh, als dass der Chef der mächtigen christdemokratischen Fraktion im Europaparlament offen seinen Anspruch auf ein anderes mächtiges Amt erheben könnte. Der 48-jährige CSU-Politiker steht auf dem Sprung, Anfang 2022 der nächste Präsident des EU-Abgeordnetenhauses zu werden. „Nicht vor September“ werde er sich entscheiden, sagte er gegenüber dem WESER-KURIER. Und er setzte zwei Sätze hinzu, bei denen man nicht zwischen den Zeilen lesen muss: „Es gibt in der Fraktion eine Erwartungshaltung.“ Und: „Wenn ich mich zur Wahl stelle, dann möchte ich natürlich auch gewählt werden. Ob ich kandidiere, ist aber völlig offen.“ Man darf das als zurückhaltende Kampfansage verstehen, die vor allem deshalb so bedeutsam ist, weil es um mehr als nur eine Brüsseler Personalie geht. Niemand will ausschließen, dass Webers Ambitionen auch in die bayerische und deutsche Politik reichen.

Weber scheiterte nach der Europawahl an Macron

Vor zwei Jahren war der Deutsche in der EU in aller Munde. Als Spitzenkandidat hatte er die Christdemokraten bei den Europawahlen zur stärksten Kraft gemacht. Sein Anspruch auf das Amt des Kommissionspräsidenten stand im Raum. Doch er scheiterte – vor allem am französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron und dem ungarischen Premier Viktor Orban. Weber, dem Bundeskanzlerin Angela Merkel in Vorahnung des Widerstandes das Amt eines deutschen Kommissars angeboten hatte, verlor. Es hat ihn getroffen, aus seiner Enttäuschung hat er nie einen Hehl gemacht: „Die Chance auf ein solches Amt bekommt man nur einmal im Leben“, sagte er jetzt.

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An einen zweiten Anlauf für den Präsidentenstuhl der wichtigsten EU-Behörde glaubt er selbst nicht. Also stand er wieder auf, bewarb sich erneut um den Vorsitz der christdemokratischen Fraktion in Straßburg. Als der italienische Sozialist David Sassoli zum Chef des Europäischen Parlamentes gewählt wurde, war klar, dass zur Hälfte der Amtszeit der Job an die Christdemokraten gehen würde. Manfred Weber galt seither als die erste Wahl. Das ist immer noch so, obwohl Amtsinhaber Sassoli seit Monaten hinter den Kulissen für eine weitere Amtszeit wirbt, weil – so seine Argumentation – er aufgrund der Pandemie kaum etwas habe gestalten können. Allerdings: Sassoli hat wenig Unterstützung, er sei „ein schwacher Präsident“, heißt es. Also doch Weber?

Für viele erscheint ein Liberaler passender

Der CSU-Politiker weiß, dass es ein Argument gibt, dass seine Fraktion und er ausräumen müssen. Von insgesamt drei Präsidenten der EU-Institutionen (Rat, Kommission, Parlament) kämen nach einer erfolgreichen Wahl zwei aus Deutschland – neben Weber noch Ursula von der Leyen als Kommissionschefin. Die Sozialdemokraten stünden nach einem Amtswechsel ohne Spitzenposition da. Es gibt Spekulationen zuungunsten Webers, in denen ein Liberaler für das Amt als besser passend beschrieben wird – vor allem, weil Frankreichs Staatspräsident Macron mit seiner Regierungspartei La République en marche (LREM) Mitglied der liberalen Europafraktion ist. Verhindert der Franzose Weber ein zweites Mal?

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Der Job als Parlamentspräsident gilt nicht nur wegen seiner herausgehobenen Stellung als Funktion mit Gewicht. Bei EU-Gipfeln tritt er vor den Staats- und Regierungschefs auf. Internationale Top-Politiker gehen bei ihm ein und aus. Längst gibt das Amt über das rein Repräsentative hinaus Macht und Einfluss, wenn man seine Stimme erhebt. Weber weiß das, wehrt sich aber dennoch dagegen, seine jetzige Position als Fraktionschef „abzuwerten". Die Fraktionen geben wesentlich den Kurs des Parlamentes vor. Der CSU-Mann, der von sich sagt, er sei „ein europäischer Politiker mit starker Verwurzelung in Bayern und Deutschland, seitdem ich in die Politik gegangen bin und mich gegen eine Karriere in der Landespolitik entschieden habe“, strahlt viel Engagement aus, wenn es um Europa geht. Aber Brüssel und Straßburg sind eben nicht alles. Was also ist mit München oder gar Berlin?

Klares Bekenntnis zu Söder

Nach Webers Darstellung ist das für ihn keine Option. „Völlig ausgeschlossen“, heißt es dazu auch aus dem CSU-Vorstand. Seine Gegner erinnern daran, dass Weber 2019 das Amt eines EU-Kommissars ausgeschlagen hat: „Da geht danach nix mehr, nicht in der CSU. Da hält sich quer durch die Partei das Mitleid in Grenzen.“ Aber es gibt eben auch andere Stimmen. Sie stellen die Frage: Wen haben wir eigentlich noch, wenn mit der Bundestagswahl im Herbst oder der Landtagswahl zwei Jahre später der Abwärtstrend nicht gestoppt werden kann? Weber sagte, dass er derlei spekulative Debatten nicht mag. Er konterte sie im Gespräch mit dieser Zeitung mit einem klaren Bekenntnis zum Parteivorsitzenden. „Markus Söder ist ganz klar der Chef“, betonte Weber, „er vertritt heute die CSU, die ich mir schon vor Jahren gewünscht habe – mit einem wieder eindeutig proeuropäischen Kurs und einer scharfen Abgrenzung zur rechtspopulistischen AfD.“

Zur Sache

Jansa fordert mehr Tempo

Der slowenische Ministerpräsident Janez Jansa hat zu Beginn der sechsmonatigen EU-Ratspräsidentschaft seines Landes für mehr Tempo bei der EU-Erweiterung auf dem Balkan geworben. „Wir sind davon überzeugt, dass die Menschen in den Ländern des westlichen Balkans eine europäische Zukunft verdienen“, sagte er am Freitag bei einer Pressekonferenz im slowenischen Kranj. Die Grundidee der Gründerväter der EU sei die eines Europas gewesen, das vereint, frei und friedlich sei. Die Erfahrungen der vergangenen Jahre hätten gezeigt, dass andere Länder dort ihren Einfluss ausbauten, wo die EU dies nicht tue, sagte Jansa weiter. Dies könne zu Problemen führen, mit denen dann wiederum die EU umgehen müsse. Als Beispiel nannte er die Entwicklungen im osteuropäischen Land Belarus, wo der autoritär regierende Präsident Alexander Lukaschenko gewaltsam gegen die Opposition vorgeht.

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