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Sturm aufs US-Kapitol Trump blieb 187 Minuten untätig

Die Anhörungen zur Kapitol-Attacke sind inszeniert wie ein TV-Event. Die Beweise wiegen schwer, die das Gremium präsentiert. Sie zeichnen ein erschreckendes Bild rund um die Ereignisse vor anderthalb Jahren.
22.07.2022, 20:00 Uhr
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Trump blieb 187 Minuten untätig
Von Thomas Spang

Pat Cipollone ist von Haus aus ein bedächtiger Mann. Der ehemalige Justiziar Donald Trumps muss seine Worte abwägen, wenn er über seinen Austausch mit dem ehemaligen Präsidenten spricht. Denn der hat ein Recht darauf, dass sein Rechtsbeistand im Weißen Haus nicht ausplaudert, was er mit ihm im Vertrauen besprochen hat. Deshalb hatte Cipollone eine Art Aufpasser neben sich sitzen, der bei der Befragung durch die Ermittler des Untersuchungsausschusses in kritischen Momenten eingriff.

Ein solcher Moment geriet zu einem Höhepunkt der letzten öffentlichen Anhörungen des Komitees zum 6. Januar 2022 vor der Sommerpause, die den Blick auf Trumps Verhalten während des gewaltsamen Sturms seiner Anhänger auf den Kongress richteten. Eine Art Chronologie der 187 Minuten zwischen dem Ende seiner Rede auf der „National Mall“ bis zu dem Videoaufruf an seine Anhänger, nach Hause zu gehen.

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Cipollone sagte den Ermittlern, er sei empört über die Gewalt auf dem Kapitolhügel gewesen. Er habe den Präsidenten unmittelbar danach dazu aufgefordert, seine Anhänger aufzurufen, den Kongress zu verlassen und die Gewalt zu beenden. Stabschef Mark Meadows, Sprecherin Kayleigh McEnany und Tochter Ivanka hätten dasselbe versucht. „Es waren viele.“ Als die Kongress-Ermittler ihn fragten, ob es irgendjemanden im Weißen Haus gab, der nicht wollte, dass die Aufständischen den Kongress verlassen, schaute der Justiziar des Präsidenten seinen Rechtsbeistand an. „Ich kann nichts über die Kommunikation sagen“, verwies er nach kurzer Rücksprache darauf, nichts über die Haltung Trumps mitteilen zu dürfen. „Aber ich denke, Sie wissen schon, ja.“

Ohne es im Detail auszuführen, bestätigte Cipollone damit die Live-Zeugenaussagen von Matt Pottinger, dem stellvertretenden Sicherheitsberater des Präsidenten, und Sarah Matthews, die zum Sprecherstab des Weißen Hauses gehörte. Demnach verbrachte Trump die 187 Minuten in dem kleinen Esszimmer neben dem Oval Office, ungerührt von der Gewalt, die er auf Fox News verfolgte. Von hier aus wären es Schritte in den Presseraum des Weißen Hauses gewesen und ein paar Minuten in den Rosengarten, um eine Erklärung zur Beruhigung der Lage abzugeben. Stattdessen ließ Trump die Motorradkolonne 45 Minuten in Bereitschaft warten, um sich die Möglichkeit offenzuhalten – wie bei seiner Rede versprochen – selber zum Kapitolhügel zu kommen.

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Das Komitee spielte einen Videoclip ab mit der Aussage von Sergeant Mark Robinson, der über seinen Sprechfunk einen lautstarken Konflikt zwischen Trump und dem Secret Service auf dem Weg von der Ellipse zurück zum Weißen Haus verfolgt hatte. „Der Präsident war verärgert und wollte hartnäckig auf den Kapitolhügel“, bestätigt Robinson die Darstellung der Zeugin einer früheren Anhörung, Cassidy Hutchinson. „Es gab hitzigen Streit darüber“.

Derweil wunderte sich der Befehlshaber der US-Streitkräfte, General Mark Milley, warum er nicht benachrichtigt wurde. „Es gibt einen Angriff auf das Kapitol der Vereinigten Staaten. Und da kommt nichts? Kein Anruf? Nichts? Null?“, sagt Milley den Ermittlern in einem Videoclip, der die Untätigkeit Trumps unterstreichen sollte. Ein Befund, den Justiziar Cipollone seinerseits bestätigte. Ihm sei nichts von einem Anruf des Präsidenten im Pentagon, bei der Nationalgarde in DC oder sonst wo bekannt. Tatsächlich weist das sonst minutiös geführte Protokoll über jeden Schritt des Präsidenten während des Putschversuchs keine Eintragung auf.

Elf Minuten nachdem die ersten Aufständischen um 14.13 Uhr in das Innere des Kapitols eingedrungen waren, feuerte Trump aus seinem Esszimmer einen Tweet ab, in dem er seinen Vizepräsidenten Mike Pence beschuldigte, ein Feigling zu sein, der „nicht die Courage hat, das Nötige zu tun“. Für Pottinger und Matthews, Trump-Gefolgsleute der ersten Stunde, war das zu viel. Sie traten zurück. Beide gebrauchten in der Anhörung dasselbe Bild, um die Wirkung dieser Kurznachricht zu beschreiben. „Es war, als gieße man Öl ins Feuer“.

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Einer der beiden Republikaner im Komitee, Adam Kinzinger, fasste das Verhalten Trumps während der 187 Minuten zusammen: „Er hat sich entschieden, nichts zu tun“. Die Co-Vorsitzende des Ausschusses, Liz Cheney, deutete an, dass mehrere Zeugen aus dem Umfeld des Ex-Präsidenten, die bisher geschwiegen haben, ihre Haltung überdächten. „Die Dämme beginnen zu brechen.“

Das Komitee behält sich vor, die Anhörungen im September fortzusetzen. Zu diesem Zeitpunkt erwägt Trump, seine Präsidentschaftskandidatur für 2024 anzukündigen. Als einziger Nachrichtenkanal entschied sich Fox  News, das Finale der Anhörungen vor der Sommerpause nicht zu übertragen. Statt zur Aufarbeitung des 6. Januar beizutragen, ereiferten sich die Moderatoren Tucker Carlson und Sean Hannity über die Covid-Erkrankung Joe Bidens. 

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