Bevor israelische Kampfflugzeuge die iranische Botschaft in Damaskus bombardierten und sieben hochrangige Militärs darin töteten, gab es schon zuvor einen Angriff in der Nähe des Flughafens von Aleppo mit 52 Toten, für den ebenfalls Israel verantwortlich gemacht wird. Jene Bomben galten Waffen- und Raketendepots der Schiitenmiliz Hisbollah und trafen eine syrische Waffenschmiede, die inzwischen von iranischen Gruppen kontrolliert wird.
Angriffe auf Munitionsdepots, die Verschiffung von Waffen aus syrischen Häfen oder die Tötung iranischer Geheimdienstler kamen auch früher immer mal wieder vor. International aber spielten sie kaum eine Rolle, wie überhaupt Syrien weitgehend aus den Schlagzeilen geriet. Doch seit dem Massaker der Hamas in Israel und dem folgenden Gaza-Krieg schaut man auch hier wieder genauer hin und stellt fest: Die Russen haben sich aus Syrien zurückgezogen und dem Iran das Territorium überlassen. Dieser weitet seine Präsenz dort massiv aus. Treffen von iranischen Generälen, wie jüngst in der iranischen Botschaft in Damaskus, mit ihren Stellvertretern von Hisbollah im Libanon und Irak häufen sich. Der nächste Schritt hin zur Entsendung iranischer Auslandstruppen nach Syrien, die Al-Quds-Brigaden, dürfte kurz bevorstehen. Daran dürfte auch der Tod von Staatspräsident Ebrahim Raisi nichts ändern. Irans Bestreben nach Expansion im Nahen und Mittleren Osten ist schon lange Staatsdoktrin.
„Jeder iranische Militär und Geheimdienstler in Syrien wird zur Zielscheibe Israels“, sagt der desertierte syrische Brigadegeneral Ahmed Rahal, der jetzt in Ägypten lebt. „Und das syrische Regime ist nicht in der Lage, die iranischen Militärs zu schützen, weil es nicht die Luftabwehrmöglichkeiten hat, um israelische Raketen und Drohnen abzuwehren.“ Rahal hält es für möglich, dass Israel demnächst anfängt, auch syrische Militärs zu töten, die mit den Iranern zusammenarbeiten, wie beispielsweise hochrangige Offiziere der vierten Division, die von Baschar al-Assads Bruder Maher kommandiert wird und die den iranischen Revolutionsgarden untersteht.
Nach dem Schlagabtausch zwischen Israel und dem Iran gab es keine Reaktion aus Moskau. Man gewann den Eindruck, Wladimir Putin lasse Benjamin Netanjahu gewähren. Dabei ist Russland 2015 dem syrischen Diktator beigesprungen, als dieser in Bedrängnis kam, da der Bürgerkrieg in seinem Land sich gegen ihn entwickelte. Nur durch den russischen Einsatz konnte sich Assad im Sattel halten und sogar weite Teile des Landes wieder zurückerobern. Aleppo, die zweitgrößte Stadt Syriens, wurde von den Russen in Schutt und Asche gebombt. Die Tausenden zivilen Opfer sind nicht so schnell vergessen. Assad wurde zur Marionette Moskaus, Putin hatte das Sagen. Der kleine russische Marinestützpunkt am Mittelmeer in Tartus wurde zum Flottenstützpunkt ausgebaut. Von hier aus flog die russische Luftwaffe ihre Einsätze. Die Wagner-Truppe operierte am Boden, Iran wurde zum Juniorpartner und schickte Hisbollah-Kämpfer aus dem Libanon. Ohne Russland ging in Syrien nichts mehr.
Doch inzwischen habe Russland sich von 80 Prozent seiner militärischen Stützpunkte zurückgezogen, weiß der ehemalige syrische Brigadegeneral. Das fünfte Armeekorps sei halbiert worden. Der russische Rückzug könnte ein Zeichen dafür sein, dass es sich nicht lohnt, das syrische Regime weiter zu unterstützen, meint Ahmed Rahal. Vielleicht gäbe es aber auch einen Deal mit anderen Mächten wie den USA und Israel, den iranischen Einfluss in Syrien zurückzudrängen, da Teheran nicht nur militärisch in Syrien interveniert, sondern auch wirtschaftlich und gesellschaftlich.
Daher die Zurückhaltung Russlands, was die Angriffe der Israelis betrifft? Für diese These spricht, dass auch die Reaktionen aus den arabischen Ländern auf Israels Angriffe in Syrien äußerst verhalten ausfielen. Zwar ist der Diktator in Damaskus religiös mit dem Iran verbunden – Assad gehört der schiitischen Sekte der Alawiten an – doch fühlt er sich als Araber eher Saudi Arabien zugehörig. Auf Antrag Ägyptens wurde Syrien 2023 wieder in die Arabische Liga aufgenommen. Seitdem lässt Assad keinen arabischen Gipfel mehr aus. Der syrische Politikwissenschaftler Saeed Moqbel sieht darin einen Versuch, den iranischen Einfluss in Syrien zu minimieren. Die Hinweise über den Aufenthaltsort der iranischen Militärberater, die beim Bombenangriff in einem Seitenflügel der iranischen Botschaft ums Leben kamen, seien vom syrischen Geheimdienst gekommen.
Putin habe Syrien als Blaupause für den späteren Überfall auf die Ukraine benutzt, sagen diplomatische Beobachter in Kairo. Hier habe er neue Waffen ausprobiert, neue Technik, neue Militärstrategien. Der länger als gedacht dauernde Krieg in der Ukraine habe ihn schließlich zum Rückzug aus Syrien bewogen. Andere meinen, dass Putin sich auch in Syrien verkalkuliert habe. Er ging davon aus, dass der Westen den Wiederaufbau des Landes finanzieren würde. Doch dem war nicht so. Syrien ist nach wie vor dreigeteilt, auch wenn der Großteil wieder unter der Kontrolle Assads ist. Die Syrien-Frage ist noch lange nicht gelöst.