Angesichts der wachsenden Kriegsgefahr in Osteuropa haben die USA eine diplomatische Offensive an mehreren Fronten gleichzeitig gestartet. Vor dem Hintergrund des bestätigten Eingangs eines Antwortschreibens aus dem Kreml zu den Forderungen nach Sicherheitsgarantien durch die Nato, dem Beschuss einer ukrainischen Ortschaft bei Luhansk und der Verlegung weiterer Soldaten an die Grenze zur Ukraine, warnte US-Präsident Joe Biden eindringlich vor einem bevorstehenden Einmarsch russischer Truppen. Die Gefahr einer Invasion sei „sehr hoch“, erklärte Biden vor dem Weißen Haus. Seiner Einschätzung nach könne es trotz anders lautender Versicherungen aus Moskau bereits „in den nächsten Tagen“ dazu kommen.
Der US-Präsident hat Außenminister Antony Blinken kurzfristig zu einer Sitzung des UN-Sicherheitsrates nach New York geschickt. Es gebe keinen Beweis für einen Rückzug der Truppen, betonte auch Blinken vor den UN. Während Russland die Warnungen der USA herunterspiele, habe es „kontinuierlich 150.000 Soldaten an der Grenze zusammengezogen“. Falls ein Einmarsch ausbleibe, seien die USA erleichtert, falsch zu liegen. „Diplomatie ist der einzige Weg diese Krise zu lösen“.
Blinken und US-Vizepräsidentin Kamala Harris werden bei der Münchener Sicherheitskonferenz erwartet, bei der auch der Ukraine-Konflikt im Fokus stehen wird. Das deutsche Außenministerium teilte mit, dass am Rande der Konferenz ein Krisentreffen der Außenminister der Staaten der sieben wichtigsten Industrienationen – der G-7 – angesetzt ist. Russland wird erstmals seit zwanzig Jahren keinen Vertreter nach München schicken.
Satelliten-Aufnahmen zeigen militärischen Nachschub
Öffentlich zugängliche Satelliten-Aufnahmen belegen laut den privaten Sicherheitsanalysten von „Rochan Consulting“, dass Russland seit seiner Rückzugsankündigung tatsächlich weitere Züge mit militärischem Nachschub an die Grenze verlegt hat. Kreml-Sprecher Dmitri S. Peskow insistierte darauf, dass Moskau Streitkräfte abziehe. „Dieser Prozess braucht Zeit. Sie können nicht einfach in die Luft gehoben werden und wegfliegen.“

Die am 17.02.2022 von Planet Labs PBC herausgebene Aufnahme zeigt ein Truppenlager nahe dem russischen Ort Jelnja im Oblast Smolensk. US-Präsident Biden befürchtet trotz aller Beteuerungen aus Moskau einen russischen Einmarsch in die Ukraine in den nächsten Tagen.
Die russische Nachrichtenagentur RIA berichtet unter Berufung auf das am Donnerstag übermittelte Antwortschreiben auf die US-Vorschläge zu Sicherheitsgarantien, Moskau bestehe auf dem vollständigen Abzug der US-Truppen aus Mittel- und Osteuropa. Eine Deeskalation erfordere, dass sich die Ukraine an das Minsker Abkommen halte. Ohne die geforderten Sicherheitsgarantien sähe sich Moskau „gezwungen zu reagieren, einschließlich mit militärisch-technischen Mitteln“.
Nach Ansicht von Analysten bekräftigen die Formulierungen in der russischen Antwort die Zweifel an dem behaupteten Teilrückzug. Unklar blieb zunächst, warum Russland am Donnerstag den stellvertretenden US-Botschafter in Moskau, Bart Gorman, ausgewiesen hat. Amerikanische Offizielle erklärten gegenüber der New York Times, dieser Schritt könnte es erschweren, eine diplomatische Lösung für die Krise zu finden. Gorman habe ein gültiges Visum, er sei weniger als drei Jahre in Russland gewesen, und seine Zeit dort sei noch nicht beendet gewesen, hieß es weiter.
Auf Nachfrage bestätigte das US-Außenministerium, Gorman habe seinen Posten bereits in der vergangenen Woche verlassen. Eine Erklärung, warum dies erst nun, mit einigen Tagen Verzögerung, öffentlich wurde, nannte das Ministerium nicht.