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Ukraine-Konflikt Warum der Westen am russischen Truppenabzug zweifelt

Die Nato befürchtet, dass Russland versucht, einen Vorwand für einen bewaffneten Angriff auf die Ukraine zu schaffen. Die Sorge vor einer weiteren Invasion Russlands in die Ukraine ist weiterhin groß.
17.02.2022, 17:02 Uhr
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Warum der Westen am russischen Truppenabzug zweifelt
Von Katrin Pribyl

Da sind die Bilder von Panzern, die per Zug abtransportiert werden, perfekt ausgeleuchtet von einer illuminierten Eisenbahnbrücke genauso wie Szenen von Kampfverbänden, die auf der Krim durch eine schneebedeckte Landschaft fahren. Sie stammen aus dem kurzen, sorgfältig arrangierten Videoclip, den das russische Verteidigungsministerium diese Woche veröffentlicht hat. Damit wollte der Kreml die Behauptung untermauern: Wir ziehen Truppen aus dem Grenzgebiet zur Ukraine ab.

Doch die Nato bleibt mehr als skeptisch – und bestätigte auch am zweiten und letzten Tag des Verteidigungsminister-Treffens in Brüssel, dass weiterhin glaubwürdige Beweise dafür fehlen. „Bislang haben wir keine Zeichen des Rückzugs oder der Deeskalation bemerken können“, betonte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg am Donnerstag. Im Gegenteil: Man sei besorgt, „dass Russland versucht, einen Vorwand für einen bewaffneten Angriff auf die Ukraine zu schaffen“. Er bezog sich damit auf Berichte von Gefechten in der Ostukraine, bei denen auf eine Ortschaft geschossen und unter anderem ein Kindergarten getroffen wurde. Prorussische Rebellen und das ukrainische Militär warfen sich gegenseitig Angriffe vor. Handelte es sich um eine „Operation unter falscher Flagge, um Ukrainer zu diskreditieren“, wie der britische Premierminister Boris Johnson kritisierte?

US-Verteidigungsminister Lloyd Austin versprühte nach den Beratungen der Verbündeten ebenfalls wenig Optimismus. Vielmehr berichtete er von Anzeichen für Vorbereitungen einer möglichen Invasion der Ukraine. So würden Soldaten näher an die Grenze gezogen und man stocke die Blutkonserven für die in Grenznähe gerückten Einheiten auf. „Ich weiß aus erster Hand, dass man diese Dinge nicht ohne Grund macht“, sagte der pensionierte General der US-amerikanischen Streitkräfte. „Und man macht diese Dinge ganz gewiss nicht, wenn man sich fertig macht, um zusammenzupacken und nach Hause zu gehen.“ Stoltenberg fasste es so zusammen: Es gebe immer noch „keine Klarheit, keine Gewissheit über die Absichten Russlands.“ Die Situation sei gefährlich, warnte er. Moskau, wo man Pläne für einen Einmarsch zurückweist, habe „genug Truppen und Möglichkeiten für eine groß angelegte Invasion der Ukraine mit sehr geringer beziehungsweise gar keiner Vorwarnzeit.“ Die Nato bekräftigte in der gemeinsamen Erklärung ihre Doppelstrategie: starke Abschreckung und Verteidigung bei gleichzeitiger Offenheit zum Dialog.

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Während das Treffen der Verteidigungsexperten in der Nato-Zentrale zu Ende ging, kamen die 27 europäischen Staats- und Regierungschefs im EU-Viertel der belgischen Hauptstadt zusammen. Vor dem Start des Gipfels zwischen der EU und der Afrikanischen Union am Donnerstagnachmittag wollte man sich noch über die von Putin heraufbeschworenen Krise austauschen. „Alle waren sich einig, dass Europa geeint handeln muss und wird“, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz im Anschluss des Mini-Gipfels. Man sei vorbereitet, mit Sanktionen zu reagieren, wenn es zu einer militärischen Aggression komme. „Gleichzeitig wollen wir alle diplomatischen Möglichkeiten nutzen, die wir haben.

Hinsichtlich der unverändert vielen Truppenverbände, die an der Grenze aufgestellt seien, sagte Scholz: „Das ist bedrohlich und das bleibt auch eine schwierige, bedrohliche Situation.“ Da dürfe man nicht naiv sein. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell warnte ebenfalls, die EU werde nicht zögern, „entschieden zu handeln“ und harte Sanktionen zu verhängen, die vor allem den Energiebereich beträfen. Zudem kritisierte er „viel Desinformation“ vonseiten des Kremls.

130.000 russische Soldaten an den Grenzen der Ukraine

Ähnlich hatte sich zuvor Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) geäußert. Bezüglich des angeblichen Truppenabzugs gebe es bisher nur Worte, „noch keine Taten“. Die müssten jetzt folgen. „Da kann man nur ganz dringend an Russland appellieren, zur Deeskalation beizutragen“, sagte die Deutsche. Vonseiten der westlichen Verbündeten war zu hören, dass zwar einige Soldaten abgezogen würden, etwa von der Krim, dass Russland insgesamt aber seine militärische Präsenz erhöht habe. Der Kreml verlangt vom Westen umfassende Sicherheitsgarantien und hat rund 130.000 Soldaten an den Grenzen der Ukraine stationiert. Die Nato und die USA hatten bereits Anfang Februar in einem Brief auf die russischen Forderungen geantwortet. Darin lehnten Washington und das Militärbündnis eine Verzichtserklärung der Nato auf eine weitere Osterweiterung sowie den Abzug von US-Waffen aus Staaten der früheren sowjetischen Einflusssphäre ab.

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