Es ist ein ganz ordinärer, bislang konventioneller Eroberungskrieg. Das hat es in dieser Dimension mitten in Europa zuletzt vor mehr als 80 Jahren gegeben und entwickelte sich rasch zum verheerenden Weltenbrand. Schlusspunkt war der erste und bislang einzige Einsatz von Atomwaffen. Die Ukraine grenzt an vier EU-und Nato-Staaten. Er betrifft uns deshalb unmittelbar, Vergleiche mit der sowjetischen Invasion in Afghanistan 1979 oder Saddam Husseins Überfall auf Kuwait 1990 sind geradezu Verharmlosungen.
Die blutigen Großmachtträume des mafiösen Despoten Wladimir Putin vernichten Menschenleben und Existenzgrundlagen in der Ukraine. Der verbrecherische Überfall auf einen demokratischen europäischen Staat schickt die Börsen auf Talfahrt, Fonds schmelzen wie Butter in der Mikrowelle. Das trifft nicht nur Großkapitalisten, wie schlichte Gemüter meinen, sondern nicht zuletzt die Altersvorsorge von Millionen Menschen – auch hier, wo scheinbar alles noch friedlich ist.
Und es wird Flüchtlingsströme geben – die Ukraine hat 41 Millionen Einwohner, mehr als Afghanistan und zweieinhalb mal so viele wie Syrien. Die Fluchtwelle ist Teil von Putins militärischem Kalkül, denn sie trifft vor allem die Staaten der EU, destabilisiert die Union. Wie zynisch dieses Mittel eingesetzt wird, hat sein Verbündeter und Bruder im Geiste, Weißrusslands Diktator Alexander Lukaschenko, längst bewiesen.
Große globale Aufgaben werden wegen des Krieges in der Ukraine und vermutlich folgender Krisen einfach liegen bleiben. Klimawende, nachhaltige Wirtschaft, Schutz der Ozeane – das wird auf der Prioritätenliste nach hinten rutschen, wenn etwa China dem russischen Beispiel folgt und Taiwan attackiert. Dort bilden bereits US-Spezialkräfte die Armee aus. Washington würde sich wohl auf diesen pazifischen Konflikt konzentrieren, Europa müsste überwiegend selbst dem Aggressor Putin entgegentreten.
Eines lehrt uns der Kriegsherr im Kreml: Westliche Maßstäbe der Risiko-Abwägung zählen für ihn nicht. Menschenleben sind für ihn nur Menschenmaterial, verfügbar und ersetzbar. Ein Absturz der ohnehin labilen Wirtschaft wird quasi als imperiale Betriebskosten verbucht. In der toxischen Nachbarschaft Russlands gibt es nur zwei Lebensversicherungen: Mitgliedschaft in der Nato oder der Besitz von Atomwaffen. Das eine hat die Ukraine nicht erreicht, das andere hat sie freiwillig abgegeben.
"Volle Solidarität" gelobt ihr dafür nun Kanzler Olaf Scholz. Ziel sei ein hoher Preis der russischen Regierung für die Invasion. Das heißt aber auch, selber wenigstens zu erheblichen finanziellen Opfern bereit zu sein. Denn nur eine weitestreichende Isolation Russlands macht nach den Erfahrungen von 2014 Sinn. Das beinhaltet den Ausschluss aus dem globalen Zahlungssystem Swift ebenso wie ein totaler Import-/Exportstopp, Einfrieren von Guthaben, Einreiseverbote. Und endlich Waffenlieferungen an die Ukraine, solange es dort noch etwas zu verteidigen gibt. Schließlich alle möglichen hybriden Maßnahmen, um Putins Regime zu destabilisieren.
Die freien Länder Europas dürfen nicht länger Opfer von Despoten sein, sie müssen zu deren erbitterten und wehrhaften Gegnern werden. Niemand kann sagen, wie das ausgeht - aber wer jetzt nicht kämpft, ist schon auf dem Weg zurück in die kalte, eiserne Zeit vor 1989.