Die Labourpartei hat bei den Parlamentswahlen in Großbritannien einen deutlichen Sieg errungen. Die Sozialdemokraten gewannen mehr als 410 der 650 Sitze und erreichten damit die absolute Mehrheit im Unterhaus. Für die Konservativen endete die Wahl in einem Desaster. Sie verloren annähernd 250 Sitze, sind aber immer noch die stärkste Kraft in der Opposition. Die ehemalige schottische Tory-Vorsitzende Ruth Davidson sprach von einem „Massaker“.
Der bisherige Premier Rishi Sunak hielt seine Abschiedsrede vor der Downing Street kurz. Es tue ihm leid, sagte er. Er habe „alles gegeben“, aber die Wähler hätten entschieden, dass nun eine neue Regierung an die Macht kommen solle. Das Urteil der Öffentlichkeit sei das Einzige, das zähle. Er übernehme die Verantwortung für die vernichtende Niederlage der Tories. „Dies ist ein schwieriger Tag am Ende einer Reihe schwieriger Tage.”
Die Partei verlor Sitze, die seit Jahrzehnten als sicher galten, an die Labourpartei oder auch an die Liberaldemokraten. Darunter jener von Liz Truss, der ehemaligen Premierministerin, die 2022 nach 49 Tagen aus Downing Street Nummer 10 gejagt wurde, nachdem sie die britische Wirtschaft mit ihren Haushaltsplänen ins Chaos gestürzt hatte. Auch Penny Mordaunt, die vor wenigen Wochen noch als mögliche Nachfolgerin von Sunak gehandelt wurde, verlor ihren Sitz. Die politische Landkarte, die seit Boris Johnsons Erdrutschsieg 2019 und seinem Versprechen, den Brexit durchzuboxen, überwiegend blau war, sie ist nun vor allem rot.
Kleine Parteien gewinnen hinzu
Neben Labour konnten aber auch kleinere Parteien viele Stimmen und damit auch Sitze im Parlament hinzugewinnen. Die Liberaldemokraten unter Chef Edward Davey gewannen mehr als 70 Sitze und sind damit drittstärkste Kraft im Parlament. Ein weiterer Gewinner der Nacht war der rechtspopulistische Politiker Nigel Farage. Er zieht als Abgeordneter für die Partei Reform UK für den Wahlkreis Clacton im Nordosten Englands ins Parlament ein. Es war der achte Versuch des 60-Jährigen, ein Mandat für das Unterhaus zu erringen.
Der ehemalige Ukip-Chef trieb die britische Regierung schon vor einigen Jahren in der Brexit-Frage vor sich her und versetzte die Tories im Jahr 2016 damit in Panik. 2021 zog sich Farage aus der Politik zurück. Mit seiner überraschenden Rückkehr Anfang Juni setzte er die bisherige konservative Regierungspartei erneut von rechts unter Druck. Den Tories war es nicht gelungen, die Zahl der legalen und illegalen Einwanderer zu reduzieren. Dies machte er Farage zum Thema seiner Kampagne. Reform-UK-Kandidaten spalteten den rechten Flügel der Wählerschaft und trugen zu den Verlusten der Konservativen bei.
Sophie Stowers von UK in a Changing Europe sieht in dem Sieg von Farage zunächst keine unmittelbare Bedrohung für die Labourpartei, da Reform UK nur wenige Sitze errungen habe und die Sozialdemokraten mit einer großen Mehrheit ausgestattet seien. Dass die Wahlbeteiligung so niedrig war wie seit 100 Jahren nicht mehr, zeigt Experten zufolge jedoch eine weitverbreitete Unzufriedenheit mit dem politischen Status quo. In seiner Siegesrede am Vormittag ging Starmer auf diese Herausforderung, die Wähler für sich zu gewinnen, ein. „Täuschen Sie sich nicht“, sagte er, „der Kampf um das Vertrauen ist der Kampf, der unsere Zeit bestimmt.”