Herr Ministerpräsident, sind Sie froh, dass es in der CDU keinen Mitgliederentscheid über den Groko-Vertrag gibt?
Daniel Günther: Wenn Sie auf die schwierige Stimmung in der CDU anspielen, habe ich davor keine Sorge. Aber ich finde Mitgliederbefragungen über den Abschluss von Koalitionsverhandlungen grundsätzlich problematisch. Da trifft ein sehr kleiner Kreis Entscheidungen, die eigentlich Millionen Wähler betreffen.
Sind Sie noch sauer auf Christian Lindner?
Nicht persönlich. Aber ich bin enttäuscht darüber, dass es uns nicht gelungen ist, Jamaika auf Bundesebene hinzubekommen. Es wäre möglich gewesen, und deshalb trauere ich diesem für Deutschland besseren Zukunftsbündnis auch immer noch ein wenig nach.
Wie kommt es, dass die CDU die Wahl gewinnt, aber die Koalitionsverhandlungen verliert?
Bei der nun zweitbesten Lösung ist es uns – insbesondere Angela Merkel – ja gelungen, daraus einen Erfolg werden zu lassen. Wir haben jetzt einen Koalitionsvertrag, und das war ja nicht ohne weiteres abzusehen.
„Wir haben Finanzen abgegeben und dafür Wirtschaft bekommen. Das ist nicht gleich.“ O-Ton Daniel Günther am Mittwoch. Die CDU hat also doch verloren.
Beim Personalpaket haben wir sicher nicht gewonnen. Das ist schon echt bedauerlich, zumal es schnell und breit in der Öffentlichkeit diskutiert wird. Das ist bitter, ein gewisser Schatten auf dem Koalitionsergebnis. Zum Glück bietet der Vertrag aber auch noch genügend Licht, sodass wir etwas Gutes für Deutschland daraus machen können.
Der Bund der Steuerzahler beklagt zu wenig Entlastung für die Bürger und eine fehlende Schuldentilgung. Hat er recht?
Zumindest sind wir finanzpolitisch an die Grenzen des Verantwortbaren gegangen. Es ist schon so, dass Große Koalitionen am Ende ganz schön teuer sind. Aber wir haben die Grenzen nicht überschritten. Wir haben auch eine Verantwortung gegenüber den nächsten Generationen. Wir haben Haushaltskonsolidierung weiterhin fest vereinbart, die Schwarze Null ist die Handschrift der Union. Und im Gegensatz zu den Steuererhöhungsplänen der SPD bieten wir eine echte Entlastung für die Bürger: sowohl bei den Lohnnebenkosten als auch beim Soli.
Was würden Sie denn heutzutage als Markenkern, als Kernkompetenz der CDU bezeichnen?
Ein klares Profil in der inneren Sicherheit. Eine klare Priorität bei Ausgaben für wichtige Zukunftsthemen, Stichworte Digitalisierung, Bildung und Forschung. Leistungsorientierung und ein klares wirtschaftspolitisches Profil: Entbürokratisierung und eine Beschleunigung von Investitionen in Deutschland. Das ist im Koalitionsvertrag auch so verankert. In der Familienpolitik haben wir zudem das Baukindergeld durchgesetzt.
Trotzdem rumort es in der Partei. Was passiert auf dem Parteitag am 26. Februar?
Es wird eine deutliche Aussprache geben, aber die Begeisterung darüber, dass wir mit den Koalitionsverhandlungen endlich durch sind, wird weit überwiegen. Viele werden sehen, dass wir bei den Inhalten wichtige Dinge durchgesetzt haben. Wer am Ende welchen Posten bekommt, wird für die breite Öffentlichkeit ohnehin nicht so eine Rolle spielen.
Muss die CDU in der neuen Legislaturperiode nicht endlich eine Erneuerung vollziehen? Daniel Günther, Michael Kretschmer und Jens Spahn wären doch ein tolles Trio.
Wir erneuern die Partei ja jetzt schon. Die Wahrnehmung, dass unter Angela Merkel das erste Mal über Erneuerung diskutiert werden müsse, ist schon erstaunlich. Ich habe noch unter Helmut Kohl mitbekommen, wie wir als CDU reihenweise Länder verloren haben. Unter Angela Merkel haben wir ja selbst im vorigen Jahr noch Ministerpräsidenten hinzubekommen: Armin Laschet in NRW und mich in Schleswig-Holstein. In Sachsen gab es einen Generationenwechsel und in Bayern auch.
Reicht das denn?
Ich wünsche mir explizit, dass die gesamte Union die Hälfte der Positionen in Führungsverantwortung mit Frauen besetzt. Wir wollen eine moderne Partei sein, und eine moderne Partei teilt die Macht auch genau unter Frauen und Männern auf.
Stichwort Erneuerung: Die Bremer CDU setzt ein mutiges Zeichen, sie will mit dem Unternehmer Carsten Meyer-Heder als Spitzenkandidat bei der Bürgerschaftswahl 2019 antreten. Sie haben vorgemacht, wie man sich vom Nobody zum Ministerpräsidenten hocharbeitet. Wie haben Sie das gemacht?
Ich bin einfach drauflos gelaufen, war optimistisch, habe klare Positionen vertreten und das auch bis zur Wahl durchgehalten. Das hat mir ein erkennbares Profil verschafft. Wenn einem das gelingt, wenn man positiv Politik macht, dann kann man Menschen überzeugen. Dazu gehört für mich immer auch eine gewisse Fröhlichkeit, ein gewisser Pep. Nicht nur die eingefahrenen Wege gehen, sondern auch mal etwas Neues wagen. So lässt sich eine ganze Menge reißen.
Die Bremer CDU versucht mit Carsten Meyer-Heder genau das. Was trauen Sie ihm zu?
Ich traue ihm richtig viel zu. In der Tat ist es eine mutige Entscheidung, die die Bremer CDU getroffen hat.
Vor allem auch, weil Meyer-Heder, im Gegensatz zu Ihnen, keinen politischen Background hat.
Das muss ja kein Schaden sein. Natürlich muss man sich in der Politik zurechtfinden, aber das traue ich ihm absolut zu. Er ist in Bremen bekannt, ist ein erfolgreicher Unternehmer. Und er hat mit Ehrgeiz, Optimismus und dem nötigen Selbstbewusstsein seine beruflichen Ziele erreicht. Wer das schafft, hat auch das Zeug dazu, führen zu können. Er erfüllt also genau die Voraussetzungen, die ein Spitzenkandidat braucht.
Bisher war Bremen SPD-Land. Warum sollte es der CDU ausgerechnet mit einem Seiteneinsteiger gelingen, der SPD das Amt des Bürgermeisters streitig zu machen?
Die Umfrageergebnisse wachsen für die Bremer SPD nicht gerade in den Himmel – es ist also Potenzial da für die CDU. Ich kann mich gut an die letzten drei Monate vor der schleswig-holsteinischen Landtagswahl im vergangenen Jahr erinnern. Da haben mir alle gesagt, dass ich gar keine Chance habe gegen den SPD-Amtsinhaber Torsten Albig.
Das hat mich damals überhaupt nicht interessiert, und am Ende ist es ja auch anders gekommen. Das zeigt: Aus jeder Situation lässt sich etwas Positives machen. Und die Menschen in Bremen registrieren doch auch, dass die Politik der vergangenen Jahre in vielen Bereichen nicht erfolgreich war. Wenn die CDU also überzeugend darstellen kann, dass sie es besser kann, warum soll sie dann nicht auch in Bremen stärkste Kraft werden?