Fahrer von E-Scootern brauchen nach Ansicht des Verkehrsgerichtstages künftig eine Art Führerschein, ähnlich wie beim Mofa. Man setze sich für die Einführung einer Prüfbescheinigung ein, erklärte das Expertengremium nach umstrittener Diskussion am Freitag in Goslar. Um Verkehrsverstöße der Roller-Piloten besser ahnden zu können, müssten die Verleihfirmen „die dazu notwendigen Nutzerdaten erfassen und den Verfolgungsbehörden zur Verfügung stellen“. Polizisten hatten im Arbeitskreis beklagt, dass sich die Anbieter oft auf fehlende Namen wegen der anonymen App-Anwendung oder auch auf den Datenschutz beriefen.
Die Geräte selbst sollen zum Schutz gegen Stürze zwingend mit Blinkern ausgestattet werden. „Handzeichen sind viel zu gefährlich“, erklärte Martin Diebold vom Deutschen Anwaltverein. Andere dieser hippen batteriebetriebenen Fortbewegungsmittel wie Hoover-Boards will der VGT dagegen erst einmal nicht auf deutschen Straßen und Radwegen sehen. „Der Arbeitskreis hält zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine Legalisierung weiterer Elektro-Kleinfahrzeuge, insbesondere ohne Lenkstange, für nicht sinnvoll.“
Um Konflikte mit Radfahrern zu vermeiden, sei ein Ausbau der Radverkehrsinfrastruktur „unabdingbar“. Breitere Fahrstreifen für Radler hatten insbesondere die Unfallforscher der Versicherungen verlangt.
Hartnäckige Raser, Drängler und Pöbler müssen künftig mit höheren Bußgeldern und mehr Punkten in der Flensburger Verkehrssünderdatei rechnen. Der Verkehrsgerichtstag (VGT) forderte einen eigenen, punktbewehrten Bußgeldtatbestand für „aggressives Posen“. Wenn bei Verkehrsstrafen „Anhaltspunkte für ein hohes Aggressionspotenzial vorliegen“, müssen die Rowdys nach dem Willen des Expertengremiums in jedem Fall ihre Fahreignung in der Medizinisch-Psychologischen Untersuchung (MPU), die im Volksmund „Idiotentest“ genannt wird, überprüfen lassen. Dazu sollen die Führerscheinbehörden das Recht zur Einsicht in das Bundeszentral- und das Erziehungsregister erhalten.
Dramen verhindern können
Daneben setzt der VGT auf mehr Prävention – und dies bereits in der Schule. Aggressivem Verhalten „ist in den Lehrplänen aller Schulformen deutlich höheres Gewicht beizumessen“, heißt es in der Empfehlung des Arbeitskreises. Vorbild dafür sind unter anderem die „Crash"-Kurse der Polizei in Nordrhein-Westfalen. Vor Schülern und Auszubildenden berichten dort etwa Eltern eindringlich von ihren tödlich verunglückten Kindern oder Feuerwehrleute von letzten Worten eines eingeklemmten Unfallopfers. „Wir machen den jungen Leuten damit klar, dass sie es sind, die solche Dramen verhindern können“, erklärte Ernst Klein, Erster Polizeihauptkommissar in Köln.
Rufe nach einem allgemeinen Tempolimit auf Autobahnen zur Eindämmung des Stresspotenzials durch große Geschwindigkeitsunterschiede konnten sich dagegen nicht durchsetzen. Die Mehrheit der Experten schloss sich in Goslar der Linie des VGT-Präsidenten Ansgar Staudinger an, wonach man zunächst in einer wissenschaftlichen Studie den Einfluss eines Limits auf die Zahl der Toten und Verletzten sowie die Effekte für die Umwelt nachweisen sollte. Dafür hatte sich zuvor auch schon ADAC-Vizepräsident Gerhard Hillebrand ausgesprochen. Eine Expertise könne helfen, „diese hoch emotionale Frage zu versachlichen“, betonte der Rechtsanwalt.
„Fakten und Erkenntnisse haben wir. Die Lösung ist klar, jetzt muss gehandelt werden“, meinte hingegen der Vorsitzende des Auto Clubs Europa (ACE), Stefan Heimlich. Tempo 130 hatte sein gewerkschaftsnaher Verein gefordert. „Das bringt mehr Verkehrssicherheit und verbessert zusätzlich den Verkehrsfluss", so Heimlich.
Für Fahranfänger regte das Expertengremium in Goslar eine Verlängerung der Probezeit von zwei auf drei Jahren an. Allerdings sollen die Führerscheinneulinge diese Frist durch die freiwillige Teilnahme an Schulungsmaßnahmen oder am begleiteten Fahren, das dann auch für Volljährige geöffnet werden soll, wieder auf zwei Jahre abkürzen können. In der Probezeit gilt ein absolutes Alkoholverbot, also die 0,0 Promillegrenze. Schwere Verkehrsverstöße ziehen eine Verlängerung der Probezeit, auch Pflichtseminare bis hin zu einem Führerscheinentzug nach sich.
Weitere Informationen
An dem Verkehrsgerichtstag nahmen rund 1900 Experten aus Polizei, Justiz, Verwaltung, Medizin, Versicherungswirtschaft und Automobilclubs teil. In der Vergangenheit fanden die Empfehlungen des Gremiums immer wieder Eingang in Gesetzgebung und Rechtsprechung.