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Berlin „Genosse Klartext“ hört aus gesundheitlichen Gründen auf

Berlin. Er ist der bekannteste, umstrittenste und zugleich dienstälteste Bürgermeister Berlins: der rund 310 000 Einwohner zählende Bezirk Neukölln ist ohne Heinz Buschkowsky kaum noch vorstellbar. Annähernd 15 Jahre steht er schon dem Rathaus vor, zuvor gehörte er seit 1979 der Bezirksregierung an und war von Finanzen über Jugend, Sport, Umwelt bis Wirtschaft als Stadtrat für fast alles schon einmal zuständig.
28.01.2015, 00:00 Uhr
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Von Peter Gärtner

Er ist der bekannteste, umstrittenste und zugleich dienstälteste Bürgermeister Berlins: der rund 310 000 Einwohner zählende Bezirk Neukölln ist ohne Heinz Buschkowsky kaum noch vorstellbar. Annähernd 15 Jahre steht er schon dem Rathaus vor, zuvor gehörte er seit 1979 der Bezirksregierung an und war von Finanzen über Jugend, Sport, Umwelt bis Wirtschaft als Stadtrat für fast alles schon einmal zuständig. Es gibt in der Hauptstadt wohl keinen anderen Kommunalpolitiker, der seinen Kiez so genau kennt, die Verwaltung so virtuos beherrscht wie der 66-jährige Sozialdemokrat, der aus gesundheitlichen Gründen zum 1. April sein Amt vorzeitig niederlegt.

Den „kleinen König“ nennen sie ihn in Neukölln – auch in Anspielung auf seine Erscheinung: klein, breit und stattlicher Bauch. Für die meisten Berliner ist er jedoch „Genosse Klartext“. Kein anderer SPD-Politiker hat so deutlich die Missstände im Alltag der Metropole angeprangert und immer wieder die Finger in die Wunde gelegt. „Multikulti ist gescheitert“, verkündete Buschkowsky 2004. Ein Aufschrei des Entsetzens erhob sich, auch als er auf die wachsenden „Parallelgesellschaften“ hinwies. Zum Betreuungsgeld hatte er eine glasklare Position: in der deutschen Unterschicht werde es versoffen, in der migrantischen übernimmt die Oma die Kinderbetreuung, und die spricht drei Worte Deutsch. Und wo die Kinder nicht zur Schule gehen, sollte das Kindergeld gesperrt werden.

Doch Zuspitzungen und auch seine zahlreichen Medienauftritte waren für Buschkowsky vor allem Mittel zum Zweck: tatsächlich betrachtete Buschkowsky seinen Bezirk, in dem Menschen aus 160 Nationen leben und dessen Norden einen Migrantenanteil von weit über 50 Prozent aufweist, als großes Labor. Vom Quartiersmanagement und zweisprachigen Stadtteilmüttern für die Nachbarschaftsarbeit, über Wachposten, um die Schulpflicht zu schützen, bis hin zu leidenschaftlichen Plädoyers für eine frühe und verbindliche Kita-Pflicht – immer hatte der Bürgermeister bei seinen überaus erfolgreichen Feldversuchen eine bessere Integration im Auge gehabt, mit der tiefen Überzeugung, dass man Menschen durch Bildung verändern könne.

Die Genossen haben sich lange mit dem schlagfertigen Mann aus einfachsten Verhältnissen – er wuchs in einer feuchten Neuköllner Kellerwohnung auf, ging als Kind auf Felder für eine Mark Kartoffeln stoppeln, als 13-Jähriger drehte er bereits Gewinde – schwer getan. Erst als Thilo Sarrazin mit seiner undifferenzierten Migrantenschelte samt kruden Vererbungstheorien an die Öffentlichkeit ging, wurde der Außenseiter plötzlich geadelt: SPD-Chef Sigmar Gabriel lobte ihn als „Kümmerer mit Verstand“, als einen, der „mit einem großen, aber eben auch heißen Herzen“ zu den Menschen im Kiez gehe.

Sein erstes Buch, das provozierende „Neukölln ist überall“, brachte ihn in die Bestsellerlisten, sein letztes, „Die andere Gesellschaft“, kann man als eher nüchternes Fazit seiner politischen Arbeit in Neukölln betrachten: wie Einwanderung eine Gesellschaft verändert.

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