Eigentlich konnten die Ampel-Sondierer am Ende doch gar nicht anders, als die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen anzukündigen. Wie hätte man ein Nein auch begründen sollen – nach dem Clou mit dem Selfie, der ganzen Harmoniesoße und all den Bekundungen gegenseitigen Vertrauens. Ein Scheitern der Sondierung wäre ein echtes Debakel gewesen.
Egal, wo man politisch steht, man muss den möglichen künftigen Partnern ein Lob zollen: Sie haben bislang clever agiert. So war es schon sehr ungewöhnlich, dass Christian Lindner und Robert Habeck noch am Wahlabend die Vorgespräche zwischen FDP und Grünen ins Spiel brachten. Und die SPD als Wahlgewinner, der nach guter Tradition eigentlich der erste Schritt zugestanden hätte, schaut einfach gelassen zu. Schlau war es auch, die Gespräche vertraulich zu führen. Und das hielt bis zum Schluss – es gab nicht die sonst üblichen Durchstechereien. So kann man gerne weitermachen.
SPD, Grüne und FDP können jeweils Passagen in dem zwölfseitigen Abschlusspapier für sich reklamieren. Sozialdemokraten werden sich in den Zielen zur Sozialpolitik wiederfinden, Grüne können sich am Kapitel zur Klimapolitik erfreuen, die Handschrift der Liberalen findet sich in den Anmerkungen zur Finanz- und Steuerpolitik. Aber die Gespräche waren auch kein Wunschkonzert, so konnten die Grünen das Tempolimit 130 nicht durchsetzen.
Wie immer bei solchen Anlässen stehen auch wolkige Ankündigungen und Ziele mit hohem Interpretationsspielraum in dem zwölfseitigen Papier: „Digitaler Aufbruch“ und „Deutschland zügig modernisieren“ – alles schon x-mal gehört. Aber es enthält auch bemerkenswert viele konkrete Aussagen. So soll etwa der Kohleausstieg von 2038 auf 2030 vorgezogen werden, der Mindestlohn auf zwölf Euro steigen, sollen die maßgeblichen Steuern nicht erhöht werden.
Doch bis dahin ist es ein weiter Weg, die Nagelproben kommen noch – in den Koalitionsverhandlungen. Trotzdem hat das mögliche Bündnis in dem Papier schon einen Namen: Fortschrittskoalition. Sollte es mit dem Bündnis klappen, wäre das die künftige Messlatte.