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AOK-Report Immer mehr Arbeitnehmer leiden an psychischen Erkrankungen

Psychische Belastungen am Arbeitsplatz nehmen zu und führen zu längeren Ausfallzeiten. Ein AOK-Report zeigt, dass besonders Berufe mit hohem Kontaktbedarf betroffen sind. Die Auswirkungen sind gravierend.
08.10.2024, 21:42 Uhr
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Immer mehr Arbeitnehmer leiden an psychischen Erkrankungen
Von Markus Peters

Wesentlich mitverantwortlich für die höheren Krankenstände in Deutschland sind nach Überzeugung von Johanna Baumgardt, Forschungsbereichsleiterin des wissenschaftlichen Instituts der AOK, psychische Erkrankungen. Die sind nicht nur häufiger geworden, sondern zeigen auch noch weitere schwerwiegende Folgen. „Psychische Erkrankungen gehen mit verhältnismäßig langen Ausfallzeiten einher“, hat der AOK-Fehlzeitenreport ermittelt.

Die Arbeitsunfähigkeitstage (AU-Tage) haben aufgrund psychischer Erkrankungen seit 2014 um knapp 47 Prozent zugenommen. Bei Krankschreibungen wegen Burnout-Erkrankungen war sogar ein Anstieg von 100 AU-Tagen je 100 erwerbstätige AOK-Mitglieder im Jahr 2014 auf knapp 184 Tage im Jahr 2024 festzustellen (Stand: August 2024). „Als Ursache vermuten wir ein Zusammenwirken verschiedener Faktoren – von der Zunahme psychischer Belastungen durch globale Krisen bis zu Veränderungen in der Arbeitswelt“, erklärt Baumgardt.

Besonders betroffen sind Arbeitnehmer in sogenannten kontaktintensiven Branchen wie dem Gesundheits- und Sozialwesen sowie dem Bildungsbereich. Durchschnittlich sorgen psychische Erkrankungen für zwölf Prozent aller Ausfalltage. Damit sind sie hinter den Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems und den Erkrankungen des Atmungssystems die dritthäufigste Ausfallursache. Überdurchschnittlich oft ist das Krankheitsbild allerdings in den Berufen der Erziehung und des Unterrichts (16 Prozent aller Ausfalltage), in der öffentlichen Verwaltung und bei Sozialversicherungen (15 Prozent), im Gesundheits- und Sozialwesen (15 Prozent) und bei Banken und Versicherungen (15 Prozent) zu beobachten. Die geringste Wahrscheinlichkeit, an psychischen Problemen zu erkranken, besteht im Baugewerbe (sieben Prozent) und in der Land- und Forstwirtschaft (sieben Prozent).

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„Das ist nicht erstaunlich, wenn man sich anschaut, wie die psychischen Belastungen für Arbeitnehmer in den letzten Jahren angestiegen sind“, unterstrich Johanna Baumgardt. Zum einen durch die vielfältigen globalen Krisen, aber auch durch konkrete Stressoren in der Arbeitswelt: „Arbeitszeitverdichtung, Kommunikationsverdichtung, Flexibilisierung sind alles Sachen, die auf die Seele drücken können.“

Der Report sieht aber auch einen Zusammenhang zwischen der emotionalen Bindung des Arbeitnehmers an sein Unternehmen und der Gesundheit der Beschäftigten. „Es zeigte sich bei Befragungen, dass eine hohe Bindung an den Arbeitgeber einhergeht mit einem subjektiv besseren Gesundheitszustand.“ Unternehmen könnten diese Bindung weiter stärken, indem sie Führungskräfte entsprechend darauf ausbilden und betriebliche Angebote zur Gesundheitsfürsorge machen.

Die Erkenntnisse des Reports decken sich auch mit den Erfahrungen anderer Krankenkassen und Versicherungen. So zum Beispiel können sich laut einer Civey-Umfrage im Auftrag der DEVK-Versicherungen rund 40 Prozent der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland vorstellen, in Zukunft psychisch zu erkranken. Wer mit Kindern im Haushalt lebt, erwartet eine psychische Krankheit außerdem eher (44,9 Prozent) als Menschen ohne Kinder (36,5 Prozent). Bei den Arbeitslosen gibt es mit fast 60 Prozent eine besonders hohe Erwartung für eine mögliche Erkrankung. Selbstständige (24,6 Prozent) sowie Rentner (26,8 Prozent) rechnen dagegen seltener mit mentalen Problemen.

Rund 27 Prozent der Befragten berichten, dass sie schon mal arbeitsunfähig waren wegen psychischer Erkrankungen. Hochgerechnet auf die Gesamtbevölkerung sind das rund 22,8 Millionen Menschen in Deutschland. „Inzwischen sind psychische Beschwerden ein Hauptgrund sogar für Berufsunfähigkeit“, sagt Maike Adamski, zuständig für medizinische Themen bei der DEVK. Laut Deutscher Rentenversicherung waren 2022 bei über 42 Prozent der bewilligten Neuanträge auf Erwerbsminderungsrente psychische Störungen die Ursache.

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Damit es gar nicht erst zu einer schweren Erkrankung kommt, kann sich jeder Mensch gezielt um seine psychische Gesundheit kümmern. Die Teilnehmer der Umfrage verbringen dazu am liebsten Zeit in der Natur (54,3 Prozent) und treffen sich mit Freundinnen, Freunden oder Familie (41,8 Prozent). Rund 37 Prozent treiben regelmäßig Sport.

Was scheinbar viele unterschätzen: Auch eine Psychotherapie hilft, aus einer Krankheitsphase herauszufinden. „Wer sich schlecht fühlt, sollte sich unbedingt von Profis helfen lassen“, sagt die DEVK-Spezialistin Maike Adamski.

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