Eigentlich müsste die Landtagswahl Sachsen-Anhalt nicht von großem Interesse sein. Das Land ist dünn besiedelt, überregional bekannt ist es allenthalben für seine Bauhaus-Vergangenheit, für atemberaubende Landschaften und neuerdings für IDT Biologika. Das Unternehmen gilt als Schlüsselstandort für Entwicklung und Produktion von Impfstoffen. Trotzdem schauen alle nach Sachsen-Anhalt. Denn zwischen Salzwedel und Naumburg ist die politische Großwetterlage seit Langem angespannt. Nachdem 2016 die AfD aus dem Stand mit 24,3 Prozent in den Landtag eingezogen ist, wird das Land von einer Kenia-Koalition regiert. CDU, SPD und Grüne hatten seither alle Hände voll zu tun, die knappe Mehrheit im Landtag beisammenzuhalten.
Nach diesem für die CDU sehr erfolgreichen Wahlergebnis könnte es weitere fünf Jahre bei Kenia bleiben. Vorbehaltlich der Briefwahl-Ergebnisse scheint jedoch auch eine Koalition aus CDU, FDP und Grünen möglich – das wäre ein Jamaika-Bündnis. Am liebsten jedoch wäre der CDU ein Bündnis mit SPD und FDP, genannt „Deutschland-Koalition“. Anders als von den Meinungsforschungsinstituten prognostiziert, ist damit eine erzwungene Viererkoalition auf Landesebene vom Tisch. Und kräftigen Auftrieb für Kanzlerkandidaten Armin Laschet und seine CDU gibt es obendrauf.
Jetzt heißt es also für Ministerpräsident Reiner Haseloff Ausschau halten nach möglichen Bündnispartnern, um die gut zwei Millionen Bürgerinnen und Bürger weitere fünf Jahre regieren zu können. Wobei das Verb „können“ schon sehr viel sagt über den Zustand der parlamentarischen Demokratie in Sachsen-Anhalt. War es bis zum Ende der Nullerjahre für die CDU fast schon eine Selbstverständlichkeit, Regierungsverantwortung übernehmen zu dürfen, ist die Partnersuche mittlerweile zur Quälerei geworden.
Zum zweiten Mal mussten sich die etablierten Parteien vor der AfD fürchten. Die Partei hatte bereits bei der Wahl 2016 jede vierte abgegebene Stimme geholt. Ihr Ergebnis kann sie diesmal mit geringen Verlusten halten. Die SPD rutscht wohl erstmals in die Einstelligkeit, während die Linke ihre selbst gesetzte Marke von mehr als zehn Prozent erreicht, gleichwohl jedoch ein Drittel ihrer Stimmen einbüßt. Grüne und FDP bleiben mit um die sechs Prozent unter ihren selbst gesetzten Erwartungen.
Nun ist Sachsen-Anhalt ein Bundesland mit ganz eigenem Profil. Gleichwohl kann diese Landtagswahl durchaus Hinweise auf die Bundestagswahl Ende September geben. Offenbar haben viele Wählerinnen und Wähler verstanden, dass die AfD ihnen nicht geben kann, was sie sich erwarten. Dass Ministerpräsident Reiner Haseloff klargestellt hat, dass es keine Zusammenarbeit mit der völkisch unterwanderten Landes-AfD geben werde, mag dafür gesorgt haben, dass Bürger ihre Stimme lieber der CDU gegeben haben, um für klare Machtverhältnisse zu sorgen.
Die Grünen müssen sich fragen, warum sie trotz des Hypes weit weniger Stimmen holen konnten als erwartet. An diesem Widerspruch zwischen erklärtem Ziel und erreichtem Ergebnis werden die Parteistrategen in den kommenden Monaten besonders hart arbeiten müssen. Annalena Baerbock bräuchte auch die Stimmen aus dem Osten, um das Kanzleramt überhaupt in den Blick nehmen zu können.
Die Liberalen sind erleichtert, es nach fünf Jahren Auszeit nicht nur wieder in den Landtag geschafft zu haben – möglich erscheint sogar eine Regierungsbeteiligung. Dass es auch hier am Wahltag nicht für die prognostizierten acht Prozentpunkte gereicht hat, darf ebenfalls als Wink für den 26. September gelten.
Am härtesten allerdings trifft es die SPD. Hatte sie bei der Wahl 2016 bereits die Hälfte ihrer Stimmen verloren, sind diesmal erneut viele Wählende von der Fahne gegangen. Bleibt es auch nach Auszählung der Briefwahlstimmen bei der Einstelligkeit, dürften im Willy-Brandt-Haus die Alarmglocken schrillen. War bislang ein Kanzler Olaf Scholz eine abenteuerliche Vorstellung, dürfte die Idee von der Regierungsführung nach Sachsen-Anhalt ins Reich der Fantasie abgleiten.