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Enquete-Kommission Klöckner: Corona-Aufarbeitung soll "selbstkritisch" sein

Zweieinhalb Jahre nach Pandemieende: Der Bundestag setzt eine Enquete-Kommission zur Corona-Aufarbeitung ein. Ziel ist eine transparente und selbstkritische Analyse der damaligen Entscheidungen.
08.09.2025, 19:47 Uhr
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Klöckner: Corona-Aufarbeitung soll
Von Markus Peters

Zweieinhalb Jahre nach Ende der Corona-Pandemie hat der Bundestag eine Enquete-Kommission zur Aufarbeitung der Corona-Pandemie eingesetzt. Auf der ersten Sitzung am Montag wurde die CDU-Abgeordnete Franziska Hoppermann zur Vorsitzenden gewählt: "Es soll über alle Bereiche hinweg geguckt werden, was gut funktioniert hat und wo man mit dem heutigen Kenntnisstand andere Entscheidungen treffen würde", sagte sie nach der Auftaktsitzung. Das Gremium, dem 14 Abgeordnete und 14 Sachverständige angehören, soll bis Mitte 2027 einen Bericht erarbeiten.

Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) hatte zuvor gesagt, sie sei überzeugt, „dass eine konsequente Aufarbeitung eine große Chance auch für unsere Demokratie“ sei, um wieder Vertrauen zurückzugewinnen. Sie sei eine „Chance, wieder zu einer gesellschaftlichen Versöhnung zu kommen.“ Bis in die Familie habe man gespürt, „wie sehr die Haltung zur Corona-Pandemie und zu den Maßnahmen Menschen auch auseinandergebracht hat“. Die Aufarbeitung solle nun gründlich, transparent und vor allem selbstkritisch sein.

Mit dabei unter den 14 Abgeordneten ist unter anderem die Grünen-Abgeordnete Lena Gumnior aus dem Kreis Verden. "Es geht in der Enquete-Kommission zunächst darum, Lehren für mögliche zukünftige Pandemien, die wir nicht ausschließen können, zu ziehen", sagte die 32-jährige Juristin, die gleich in ihrer ersten Legislaturperiode als Abgeordnete diese herausfordernde Aufgabe schultern soll. Sie fühlt sich dabei von ihrer Partei aber nicht allein gelassen: "Wir haben uns das aufgeteilt: Paula Piechotta wird als Ärztin eher den medizinischen Part übernehmen, während ich mich mehr um die rechtlichen Fragestellungen kümmere. Denise Loop, unsere Stellvertreterin, arbeitet im Bereich Kinder und Jugend. So können wir wichtige Themenbereiche der Kommission abdecken."

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Gumnior hat dabei schon einen konkreten Anknüpfungspunkt: "Wir müssen uns die Frage stellen, wie die Entscheidungen, die damals getroffen worden sind, demokratisch legitimiert waren. Da denke ich zunächst einmal an die Ministerpräsidentenkonferenz, die als solche verfassungsrechtlich gar nicht vorgesehen war", sagt die Grünen-Politikerin, die während der Pandemie als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder gearbeitet hatte. "Dabei habe ich die Erfahrungen machen müssen, dass es auch uns nicht gelungen ist, alle unsere Studentinnen und Studenten bei der Sache zu halten. Auch wir haben während der Pandemie jungen Menschen in der Ausbildung verloren", bedauert sie.

Dass die Ausgangssituation für die Menschen während der Pandemie sehr unterschiedlich war, sei ihr klar: "Wer in einem großen Haus mit getrenntem Arbeitszimmer sitzen konnte, kam vielleicht verhältnismäßig bequem durch die Pandemie. Wer mit Kindern in einer zu engen Wohnung bleiben musste, hatte es ungleich schwerer", vergleicht Gumnior.

Deshalb möchte sie sich "dafür einsetzen, die Perspektive der Bevölkerung und besonders den Teil der Menschen, die sich sonst nicht so leicht Gehör verschaffen können, in unsere Untersuchung mit einzubeziehen. Wie wir das genau machen können, wird noch zu überlegen sein. Vielleicht durch Online-Beteiligungsformate, vielleicht über Regionalkonferenzen."

Für die Union sitzen neben Hoppermann noch die Abgeordneten Axel Müller, Lars Rohwer, Michael Hose und Mechthilde Wittmann in der Kommission, die SPD schickt Jens Peick, Daniel Rinkert und Lina Seitzl hinein, die Linke entsendet Ates Gürpinar. Für die AfD sitzen Claudia Weiss, die Höcke-Vertraute Christina Baum und der Abgeordnete Kay-Uwe Ziegler, der 2024 rechtskräftig wegen Subventionsbetrugs im Zusammenhang mit Corona-Hilfen zu einer Geldstrafe verurteilt worden ist, in der Kommission.

Die drei Sachverständigen, die die AfD für das Gremium benannt hat, sind bereits als Kritiker mit der Corona-Pandemie in Erscheinung getreten. So zum Beispiel der emeritierte Hannoveraner Professor Stefan Homburg. Der Fachmann für öffentliche Finanzen wurde im Juni wegen der Verwendung von verfassungswidrigen Kennzeichen in zwei Fällen (SA-Parole "Alles für Deutschland") zu einer Geldstrafe verurteilt. Weiter stoßen die Thesen des zweiten Sachverständigen Michael Nehls, der unter anderem die Meinung vertritt, die Alzheimer-Krankheit lasse sich durch einen richtigen Lebenswandel verhindern, in der wissenschaftlichen Fachwelt auf Kritik. Auch zum "Lithium-Komplott", zu einer "Methusalem-Strategie", der "Algenöl-Revolution" und dem "Corona-Syndrom" hatte der offenbar vielseitig interessierte Bestseller-Autor und Arzt in der Vergangenheit schon publiziert. Der Statistiker und Datenanalyst Tom Lausen hatte sich in der Vergangenheit ebenfalls als Kritiker der Corona-Maßnahmen einen Namen gemacht. Auf medizinische Fachexpertise kann er allerdings nicht zurückgreifen.

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Die Union hat den Präsidenten des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung, Christoph Schmidt, die Frankfurter Schulleiterin Carolin Kubbe, die Sozialdezernentin des Landkreises Meißen Janet Steinbach-Putz und den Präsidenten des bayerischen Landesgesundheitsamtes, Christian Weidner, berufen. Die SPD wählte die Frankfurter Gesundheitsrechtsprofessorin Andrea Kießling, die Präsidentin der Bundesanstalt für Arbeitsschutz Isabel Rothe und den ehemaligen Regierenden Bürgermeister von Berlin, Michael Müller, aus. Die Wahl der Linken fiel auf den Gesundheitswissenschaftler Rolf Rosenbrock, die Grünen entsenden den Münchener Soziologen Armin Nassehi in die Kommission, zudem wird noch eine Gesundheitsrechtlerin gesucht.

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Die Kommission kommt am 22. September das nächste Mal zusammen und soll im Grundsatz einmal im Monat tagen. Es wird nicht öffentliche und öffentliche Sitzungen geben.

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