„Seit wann ist es eigentlich erstrebenswert, langsam zu sein?“ Mit diesem Satz beginnt das brandneue Video der Klima-Union. Die Antwort lautet: „Wir wollen Erster sein – und nicht Mittelfeld.“ Mit dem Spot mischt sich der Ende März gegründete Verein selbstbewusst in den beginnenden Wahlkampf ein. Die Klima-Union will für CDU und CSU die Frage nach der Klimapolitik der nächsten Bundesregierung erkennbar anders beantworten als die Grünen, für die dies ein Leib-und-Magen-Thema ist. Und sie erklärt zwei CDU-Politiker zu ihren Vorreitern für das 1,5-Grad-Ziel, von denen zumindest einer überregional bekannt ist, wenn auch nicht für seine klimapolitische Kompetenz: Friedrich Merz.
Am Montag hat der Vorstand der Klima-Union sein Konzept "Die Jahre, auf die es ankommt” zur Energie-, Klima- und Wirtschaftspolitik vorgestellt. Der Vereinsvorstand Heinrich Stößenreuther ist überzeugt: „Gute Klimapolitik macht das Autofahren, Strom und das Heizen in Deutschland billiger und kann die Energieversorgung bis 2030 klimaneutral machen.“ In der Klimaszene ist der Politikberater und Verkehrsaktivist kein Unbekannter. Er war in den Neunzigerjahren Campaigner für Greenpeace, später Projektmanager bei der Deutschen Bahn. Dass der langjährige Grüne im Frühjahr 2021 Mitglied der CDU geworden ist, darf als politische Neuverortung verstanden werden. Und als Versuch, die Union inhaltlich für eine Koalition mit der Ökopartei fit zu machen.
Die Idee der Klima-Union lautet kurz gesagt: Wir gestalten die Klimawende so, dass die Bürgerinnen und Bürger nicht nur nicht draufzahlen, sondern sogar profitieren. Strom wird billiger, Autofahren wird billiger, Heizen wird billiger. „Die große Botschaft ist: Die Energiewende gibt es zum Nulltarif“, sagt Strößenreuther in Berlin. Seine Vorstandskollegin Wiebke Winter, Bremer Mitglied im CDU-Bundesvorstand, ergänzt: „Wir setzen genial bei der Energiewirtschaft an – es wird richtig sexy.“
Streichung der EEG-Umlage
Aber wie soll das funktionieren? Die Klima-Union ruft das Ziel aus, das Land bereits bis 2030 mit sauberer Energie zu versorgen. Dies sei aber weder durch Verbote noch durch Subventionen erreichbar. Stattdessen müsse die soziale Marktwirtschaft „entfesselt werden“, in dem die EEG-Umlage gestrichen wird, Genehmigungen für Wind- und Sonnenenergie vereinfacht werden, die Autoindustrie auf Elektromobilität umgestellt wird und noch dazu hunderttausende „Klimajobs“ geschaffen werden. Das alles ohne CO2-Bepreisung.
Als personelles Angebot, dies in einer künftigen Regierungskoalition umzusetzen, präsentiert die Klima-Union den nordrhein-westfälischen CDU-Bundestagskandidaten Friedrich Merz und den Berliner Abgeordneten Thomas Heilmann. Auf die Frage, woher denn die neue Klimakompetenz von Merz rührt, antwortet Heinrich Strößenreuther, dieser trete seit eh und je für die freie Marktwirtschaft ein. Zudem habe man „zwei Briefings mit ihm gehabt“.
Heilmann hatte am Montag getwittert, Merz und er hätten sich in den letzten Wochen mit Wissenschaftlern und Vertretern der Energiewirtschaft ausgetauscht. Ihrer Überzeugung nach sei jetzt der Zeitpunkt gekommen, massiv in erneuerbare Energien zu investierem und damit deren Anteil auf dem Strommarkt zu vervielfachen. Die Privatwirtschaft könne das mit ihrem Kapital viel schneller organisieren als der Staat. Damit jeder im Land, ob Unternehmer oder Bürger, in saubere Energie „investieren und mitverdienen kann, wollen wir die Genehmigungsverfahren für Solar- und Windanlagen extrem beschleunigen und entbürokratisieren“.
Ob die Klima-Union mit diesem Grundvertrauen in die Privatwirtschaft und die Unionsparteien richtig liegt, könnte sich in einer Regierungskoalition mit den Grünen erweisen. Das von CDU und CSU vor Wochenfrist vorgelegte Wahlprogramm jedenfalls hatte die Klima-Union stark kritisiert. In dem 140-Seiten-Programm klaffe eine „Lücke zum Pariser Klimaabkommen“, war in einer Stellungnahme zu lesen. „Leider sind die Klimaziele des Wahlprogramms weder Paris-konform noch erfüllen sie den Auftrag des Bundesverfassungsgerichts.“ Karlsruhe hatte im April das 1,5-Grad-Ziel von Paris für verfassungsrechtlich verbindlich erklärt. Nun, eine Woche später und mit Merz als Zugpferd, spricht Heinrich Strößenreuther von einem „politischen Prozess“, den Kanzlerkandidat Armin Laschet moderieren müsse.