Oranger Kapuzenpulli, Baseball-Cap und blaue Haare: So sitzt „Rezo“ vor einem Mikrofon. Der junge Mann ist im Internet zu Hause. Seit 2015 veröffentlicht er regelmäßig Videos, er singt, er spielt Gitarre, er blödelt herum. Doch sein neuestes Video ist anders. Es ist eine 55-minütige Abrechnung mit der Politik von CDU, CSU und SPD. Die Botschaft: Die Volksparteien zerstören mit ihrer Klimapolitik die Zukunft.
Sein Video schlägt ein. Nach nur einem Tag hat es mehr als eine Million Klicks. Drei Tage später sind es schon knapp 2,3 Millionen. Während ganz Europa über die FPÖ diskutiert, schauen hunderttausende Teenager in ihren Kinder- und Jugendzimmern, vermutlich auf ihren Smartphones, das Video von Rezo an.
Rezo, der seinen bürgerlichen Namen geheim hält, erklärt zu Beginn des Videos, er habe sich in den vergangenen Wochen mal angeschaut, was die CDU so für Politik macht. Und was er dabei erfahren hat, drückt der 26-Jährige so aus: „Fuck, ist das heftig. Ich hab nicht gewusst, wie heftig das ist.“
Das Video ist ein Ritt durch verschiedene Themen wie soziale Ungleichheit, die immer weiter ansteige, Klimapolitik, die nicht konsequent und schnell genug verlaufe, amerikanische Kriegsdrohnen, die von der Militärbasis Ramstein aus gesteuert würden. Alle Aussagen belegt er mit Quellen. Er betont zwar, dass es ihm hauptsächlich um die CDU gehe, aber auch die SPD und die AfD bekommen ihr Fett weg. Seine Aussagen sind pointiert, aber nicht ausgeglichen, oft verkürzt und bedürfen an vielen Stellen des Widerspruchs.
Internetaffine Jugend verzeiht wenig
Aber: Das Video beinhaltet viel Richtiges und zeigt vor allem, dass die internetaffine junge Szene eine enorme Reichweite besitzt, die auch politisch Einfluss üben kann. Die Debatten um Urheberrechte und Klimastreiks scheint sie wachgerüttelt zu haben. Das Video bietet einen Blick darauf, wie viele junge Leute die Politik von heute sehen.
In jugendlichem Slang erklärt Rezo zum Beispiel, dass die Erkenntnisse von tausenden Klima-Wissenschaftlern seit Jahren ignoriert würden, die Klimaschutzziele verfehlt wurden. „Sich selbst Ziele setzen und nicht einhalten: Was ist das denn für ein inkompetenter Shit?“, fragt er. „Diggi, jeder kann sich unverbindlich Ziele setzen und die dann nicht einhalten.“ Eine Diät nicht durchzuhalten oder Silvester-Vorsätze nicht umzusetzen, sei okay, meint der junge Mann, aber für eine Bundesregierung seien nicht erreichte Ziele nicht okay.
Das Video zeigt auch, dass die internetaffine Jugend wenig verzeiht. Rezo macht sich etwa lustig über uninformierte Aussagen von Politikern wie dem EU-Abgeordneten Axel Voss (CDU), der Drogenbeauftragten Marlene Mortler (CSU) oder Sigmar Gabriel (SPD). Der Zeitpunkt der Veröffentlichung ist natürlich strategisch: Rezo beendet sein Video mit der Aufforderung, zur Europawahl zu gehen. Er hält es für seine „demokratische Pflicht“, seine User zu bitten, dabei bitte nicht die SPD, die CDU oder CSU und schon gar nicht die AfD zu wählen.
Angesichts dieser klaren Positionierung und des großen Aufwandes, den der Youtuber für sein Video betrieben hat, stellt sich die Frage, ob ihm jemand geholfen hat bei der Recherche der Fakten. Eine Interview-Anfrage des WESER-KURIER lehnte das Management von Rezo aus Zeitgründen ab. Er habe derzeit sehr viele Medienanfragen.
Wer ist der junge Mann also? Ein Unbekannter ist Rezo in der Youtuber-Szene nicht. Er gewann 2017 den Webvideopreis für seine Musikvideos. Nach eigenen Angaben hat er einen Masterabschluss in Informatik mit der Note 1,0, entschied sich aber trotzdem nach dem Studium sein Geld mit Youtube-Videos zu verdienen. Er hat dafür Angestellte. Der 26-Jährige sagte in einem seiner Videoclips, seine Eltern seien beide Pfarrer, er ernähre sich seit Jahren vegan und sei in der Tierrechtsszene aktiv gewesen. In einem Interview vom August 2017 sagte Rezo übrigens noch, dass er so etwas wie Wahlwerbung nicht machen würde.