Die Deutschen und das Bargeld – das ist eine innige Beziehung, so das Klischee. Gemäß einer repräsentativen Allensbach-Umfrage zahlen mittlerweile aber mehr als die Hälfte aller Deutschen unter 60 Jahren bevorzugt bargeldlos. 53 Prozent der jungen und mittleren Generation greifen an der Kasse am liebsten zu Smartphone, Smartwatch und Karte. Sie haben sich vom Bargeld verabschiedet, mit Blick auf ältere Befragte zeigt sich ein Generationenunterschied. Dreiviertel der über 60-Jährigen präferieren nach wie vor Scheine und Hartgeld.
Als Innovationstreiber gilt den Studienmachern die Pandemie. Die Aufforderung zum kontaktlosen Zahlen an Supermarkt- und Tankstellenkassen scheint bei den Verbrauchern angekommen zu sein. Laut Studie hat sich das Zahlen per Girokarte durchgesetzt, die Befragten schätzten die Zahlweise als schnell, praktisch und hygienisch. Ein wenig geringer als im Bundesdurchschnitt fiel die Bereitschaft zum kontaktlosen Zahlen in Bremen aus. Bei jedem achten Bremer Einzelhändler wanderte während der Pandemie weniger Bargeld in die Kassen.
Datenschützer in Sorge: Bei bargeldlosem Bezahlen werden Informationen gesammelt
Wo Händler und Bezahlabwickler sich über den Trend zum bargeldlosen Kauf freuen, horchen Datenschützer auf. Die Hauptsorge: Durch Karten- und Smartphonezahlung entstehen Metadaten, es lassen sich Bewegungsprofile erstellen, der Kunde wird gläsern in seinem Einkaufsverhalten. Der Zeitpunkt des Einkaufs, Ort des Geschehens, Betrag und zum Teil Informationen über die Ware – diese Daten werden an Banken, Zahlungsdienstleister und Kreditkartenfirmen übermittelt.
Thomas Mai, Finanzexperte der Verbraucherzentrale Bremen, sieht besonders das Datensammeln von Smartphone-Apps kritisch. "Einige Bezahl-Apps senden unnötige Daten wie die Position des Nutzers. Dienstleister erfahren, in welcher Filiale eingekauft oder in welchem Restaurant gegessen wurde," erklärt er. Im Hintergrund würden diese Daten dann analysiert und für diverse Zwecke genutzt. "Harmlos ist etwa eine Internet-Statistik oder am Ende personalisierte Werbung. Aber es können auch Bonitäts- oder Kredit-Scores erstellt werden."
13 Prozent der Deutschen zahlen mit Apps
Zahlen per App, das ist in Deutschlandland seit 2018 populärer geworden. Immerhin 13 Prozent der Deutschen haben seitdem laut der Allensbach-Umfrage schon einmal Apple Pay, Google Pay oder ähnliche Bezahldienste genutzt. Am meisten Verwendung fanden Banking-Apps von Sparkasse und Volksbank, dicht gefolgt von Apple Pay, Google Pay und Payback Pay. Mit Blick auf Betrugsmöglichkeiten stuft die Verbraucherzentrale die Verwendung der Apps als sicher ein. "Für Betrüger ist es nahezu unmöglich, an Kundendaten zu kommen", sagt Finanzexperte Mai. Denn die Daten, die Smartphone oder Smartwatch via App an ein Empfangsgerät senden, werden nicht eins zu eins, sondern verschlüsselt wiedergegeben. "Wichtig ist eher, die Software stetig zu aktualisieren, Sorgfaltspflichten einzuhalten und bei Verlust des Smartphones unverzüglich den Sperrnotruf 116 116 anzurufen."
In der Debatte um eine mögliche Bargeldabschaffung hält sich währenddessen eine These hartnäckig: Bargeld fördere den Schwarzmarkt und Geldwäsche. Genau die digitalen Spuren, die Datenschützer beim elektronischen Kauf bemängeln, könnten immerhin in der Kriminalitätsbekämpfung bei der Rückverfolgung großer Geldsummen helfen. Ob illegale Aktivitäten durch eine Bargeldabschaffung tatsächlich eingeschränkt würden, darüber ist man in den Wirtschaftswissenschaften geteilter Meinung.
Friedrich Schneider, emeritierter Wirtschaftswissenschaftler der Universität Linz, geht nicht davon aus, dass eine Umstellung des Zahlungssystems organisierte Kriminalität dauerhaft beeinträchtigt. Der Experte für Schattenwirtschaft sagte gegenüber dem "Deutschlandfunk": "Eine Abschaffung des Bargeldes hätte für den Schwarzmarkt in Deutschland zu Beginn einen negativen Effekt, weil ein wichtiges, einfaches Transaktionsmittel, entfällt. Da würde die Schattenwirtschaft vielleicht um fünf bis zehn Prozent zurückgehen. Ich möchte aber sagen, dass Bargeld keinerlei Ursache für Schwarzmarkt-Schattenwirtschaft ist." Schneider sieht stattdessen Steuerdruck, Arbeitslosigkeit und Rezession als Ursache für Schwarzmarktgeschäfte. Schon jetzt findet Geldwäsche im großen Stil digital statt – als Währung des Darknets gelten Kryptowährungen wie Bitcoin und Ether.
EZB mit Gegenentwurf zu Kryptowährungen
Ein erhöhtes digitales Bezahlaufkommen und neue Digitalwährungen: Um auf die Umwälzungen der Zahlungslandschaft einzugehen, präsentierte die Europäische Zentralbank (EZB) in diesem Jahr Pläne für ein eigenes Digitalgeld. Der digitale Euro, über den Bürger per Geldkarte oder Mobiltelefon verfügen könnten, ist damit ein Gegenentwurf zu den vergleichsweise instabilen Kryptowährungen und eine Reaktion auf die möglicherweise wachsende Bedeutung ausländischer Digitalwährungen.
Leicht zugänglich, robust und sicher soll er sein – der digitale Euro. Und stünde anders als Kryptowährungen unter der Kontrolle der Europäischen Zentralbank. Gegenüber anderen digitalen Zahlweisen besäße er besonders einen Vorteil: Der digitale Euro soll die Privatsphäre seiner Nutzer wahren. Aktuell steckt das Vorhaben allerdings noch in einer zweijährigen Projektphase, 2023 soll ein erster Prototyp entstehen. Bis die neue Währung der Allgemeinheit zugänglich ist, wird es noch dauern. Vonseiten der Zentralbank ist zu hören, es sei frühestens im Jahr 2026 mit dem digitalen Euro zu rechnen. Damit hinkt die Europäische Union im Ländervergleich hinterher. Schon letztes Jahr führten die Bahamas als erster Staat eine Digitalwährung ein, China und Schweden zogen nach.