Mehr wohnen, weniger parken: Das ist eins der Rezepte für die neue Kieler Innenstadt. Gut 220 Wohneinheiten sind dort seit 2015 auf ehemaligen Parkplätzen entstanden. Eine Trendumkehr soll das sein, weg vom handels- und verkehrsgeprägten Nachkriegs-Wiederaufbau-Zentrum hin zu einer funktionsgemischten, robusten und urbanen Innenstadt.
Kiel, das dank seines Reichskriegshafens Ende des 19. Jahrhunderts aufblühte und unter den Nazis erneut zu einem wichtigen Marinestandort wurde, wurde im Zweiten Weltkrieg eben deswegen zu großen Teilen zerstört. In den 60er- und 70er-Jahren wohnten in der Innenstadt statt zuvor 15.000 noch 1800 Menschen. Der Trend ging dahin, riesige Wohnviertel im Grünen zu bauen.
Dass es aber gerade die Verbindung von Wohnen, Arbeiten, Handel, Produktion und Dienstleistung ist, die eine Innenstadt attraktiv und Veränderungen gegenüber weniger anfällig macht, zeigte sich mit der Zeit – nicht nur in Kiel. Doch dort hat man bereits vor einigen Jahren mit dem Bau von Lösungen begonnen.
Kieler Projekt gewann 2018 Deutschen Städtebaupreis
2015 legten die Big Bau Unternehmensgruppe und die Frank Heimbau Nord GmbH den Grundstein für die "Alte Feuerwache". Am nördlichen Altstadtrand, am Ende der Fußgängerzone, sind dort 68 Eigentums-, 50 Studierendenwohnungen und sechs Stadthäuser entstanden. Backstein in hellen Brauntönen, autofreie Gassen, die historische Stadtmauer als Bodenmarkierung, Blickachse zur Altstadtkirche: Was manche als "Klötzchenarchitektur" kritisierten, gewann 2018 den Deutschen Städtebaupreis – unter anderem wegen der modernen Interpretation der Proportionen der historischen Altstadt und der "urbanen Wohnatmosphäre".
Auf einem zweiten ehemaligen Parkplatz an der Hopfenstraße, in unmittelbarer Nähe zu Hauptbahnhof, Förde und Fußgängerzone, haben 98 Wohneinheiten der Baugenossenschaft Gewoba Nord Platz gefunden. Ein gläsernes Fahrradparkhaus gehört auch dazu. "Unser Ziel ist eine große Vielfalt unterschiedlicher Wohnformen", sagt Felix Schmuck, Leiter der Innenstadtentwicklung beim Kieler Stadtplanungsamt. 630 Euro kostet an der Hopfenstraße ein 39-Quadratmeter-Appartement. Zu mieten sind aber auch vier Zimmer auf 124 Quadratmetern für knapp 2000 Euro. Studierende zahlen in der "Alten Feuerwache" 500 Euro all inclusive für bis zu 24 Quadratmeter.
In den vergangenen sieben Jahren sind 773 Wohneinheiten in der Kieler Innenstadt gebaut worden. Sie schließen kleinere Baulücken oder machen aus öden Stellflächen Lebensräume. Ob jemals wieder 15.000 Menschen im Zentrum wohnen werden, weiß Schmuck nicht. Aber er beobachtet, dass es bereits jetzt als Treffpunkt, Lebens- und Wohnort wieder stärker ins Bewusstsein gerückt ist.