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Landtagswahl in Niedersachsen Weil steht vor dritter Amtszeit

Zwar muss die SPD gegenüber der letzten Wahl von 2017 ein Verlust von 3,5 Prozentpunkten verkraften. Aber die Grünen, Weils erklärter Wunschpartner, steigerten ihr Ergebnis um 5,8 Punkt auf 14,5 Prozent.
09.10.2022, 23:39 Uhr
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Weil steht vor dritter Amtszeit
Von Peter Mlodoch

Der Amtsbonus beschert Stephan Weil die dritte Amtszeit: Niedersachsens SPD-Vorsitzender bleibt trotz des schlechten Bundestrends für seine Partei  Ministerpräsident in Niedersachsen. Seine Partei wurde bei der Landtagswahl am Sonntag laut ARD-Hochrechnungen mit 33,4 Prozent der Stimmen erneut stärkste Kraft und beansprucht die Bildung einer neuen Regierung. Zwar muss die SPD gegenüber der letzten Wahl von 2017 ein Verlust von 3,5 Prozentpunkten verkraften. Aber die Grünen, Weils erklärter Wunschpartner, steigerten ihr Ergebnis um 5,8 Punkt auf 14,5 Prozent. Das reicht für Rot-Grün im nächsten Parlament für eine absolute Mehrheit von 74 bis 78 der insgesamt 135 Mandate. Nach Informationen des WESER-KURIER könnten die Koalitionsgespräche bereits am Mittwoch beginnen.

Die CDU sackte um 5,5 Punkte auf 28,1 Prozent ab – das schlechteste Ergebnis seit mehr als 60 Jahren. Die AfD steigerte sich von 6,2 auf jetzt 11,0 Prozent. Damit könnte sie 18 Abgeordnete im neuen Parlament stellen. Für die FDP entwickelte sich der Wahlabend zur Zitterpartie. „Ich hoffe, dass es am Ende noch reicht“, meinte Spitzenkandidat Stefan Birkner. Nach der vierten Hochrechnung scheiterten die Liberalen allerdings ganz knapp an der Fünf-Prozent-Hürde und gehören dem nächsten Landtag nicht mehr an. Mit lediglich 2,7 Prozent verpassten die Linken deutlich den Einzug ins Leineschloss.

Ministerpräsident Weil leitete aus dem Ergebnis den Anspruch der SPD zum Weiterregieren ab. „Wir haben die stärkste Fraktion im niedersächsischen Landtag. Die Wählerinnen und Wähler haben der SPD den Regierungsauftrag erteilt und niemand anders sonst“, sagte der Spitzenkandidat. Dabei machte er erneut keinen Hehl daraus, dass er ein Bündnis mit den Grünen anstrebe. Allerdings wolle er dem endgültigen Endergebnis noch nicht vorgreifen. Seit 2017 regiert Weil in einer Großen Koalition mit der CDU; er hat aber frühzeitig erkennen lassen, dass er diese nicht mehr fortsetzen wolle. Grünen-Spitzenkandidatin Julia Willie Hamburg erklärte, dass ihre Partei nach 2013 erneut eine Partnerschaft mit der SPD eingehen wolle. „Wir sind bereit, wieder Regierungsverantwortung zu übernehmen.“

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CDU-Spitzenkandidat Bernd Althusmann gestand die Schlappe ein, übernahm dafür persönlich die Verantwortung und kündigte seinen Rücktritt als Landesvorsitzender der Union an. „Rot-Grün ist keine gute Perspektive für unser Land.“ Aber die Union sei bei den Menschen nicht genügend durchgedrungen. Althusmanns Nachfolge soll auf einem außerordentlichen Parteitag nach den Herbstferien geregelt werden. Auch Fraktionschef Dirk Toepffer gibt auf. Wie in den  anderen neuen Fraktionen kommen die CDU-Abgeordneten am Dienstag zu ihrer konstituierenden Sitzung zusammen. Bei der Wahl eines neuen Vorsitzenden deutet sich eine Kampfabstimmung zwischen Finanzminister Reinhold Hilbers und Generalsekretär Sebastian Lechner an.

In der Berliner Ampelregierung könnte die sich abzeichnende FDP-Schlappe zu neuen Zerwürfnissen zwischen den Liberalen und Grünen führen. „Denn viele unserer Unterstützerinnen und Unterstützer fremdeln mit dieser Koalition“, sagte Bundeschef und Finanzminister Christian Lindner. Streit droht um weitere Entlastungspakete und um das Weiterlaufen der Atomkraftwerke. Bundestagsfraktionschef Christian Dürr aus Ganderkesee sagte dem WESER-KURIER, er gratuliere Stephan Weil und der SPD. Für seine Partei sei „das Wahlergebnis eine bittere Enttäuschung. Daran gibt es nichts zu beschönigen. Unser Ziel war, dass Niedersachsen künftig aus der Mitte regiert wird. Das haben wir leider nicht geschafft“.

AfD-Bundeschef Tino Chrupalla zeigte sich erfreut über die erstarkte Landtags­fraktion. „Alles, was über zehn Prozent ist im Westen, ist Volkspartei. Das sind wir“, sagte er. „Wir sind wieder da.“ Die AfD gewann nach drei Landtagswahlen mit Verlusten erstmals wieder hinzu. Das dürfte Wasser auf die Mühlen der Protestbewegung sein, die die rechte Partei in diesem Herbst auf die Beine stellen will. Die vorherige Landtagsfraktion war nach drei Jahren nach einem internen Streit auseinandergebrochen.

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Für den Unionsbundesvorsitzenden Friedrich Merz sind die Träume vom „Triple“, dem nach Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen dritten Wahlsieg in Folge sowie einem weiteren Regierungssessel für die Union, zerplatzt. Knapp 6,1 Millionen Wahlberechtigte in Niedersachsen durften ihre Stimme abgeben. Die Wahlbeteiligung lag bei 60,8 Prozent. 2017 betrug sie noch 63,1 Prozent, nach 59,4 Prozent im Jahr 2013.

Niedersachsens DGB-Chef Mehrdad ­Payandeh führte die massiven Stimmgewinne für die AfD auf die gesunkene Wahlbeteiligung zurück. „Das ist ein schlechtes Zeichen für unser Land. Damit gewinnen Rechtsextreme an Gewicht im neuen Landtag“, kritisierte der Gewerkschaftsvorsitzende. „Die künftige Regierung muss durch kluge Politik spürbare Verbesserungen für die Menschen erreichen und so deren ­Vertrauen in die Politik zurückgewinnen. Es darf in unserer Gesellschaft kein Platz sein für rassistische, sexistische und rückwärtsgewandte Politik.“

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