Der Kandidat gibt sich zuversichtlich. Dietmar Bartsch, Fraktionschef der Linken im Bundestag, sagt bei der Pressekonferenz vor dem Wahlparteitag am kommenden Wochenende, es sei ihm „eine Ehre“, gemeinsam mit Parteichefin Janine Wissler die Spitzenkandidatur der Linken zu übernehmen. „Aber auch eine Herausforderung“, setzt er nach. Da hat Bartsch recht. Seine Partei liegt in den Umfragen zur Bundestagswahl aktuell bei sieben Prozent. Bis zur lebensbedrohlichen Fünfprozentmarke ist es da nicht mehr weit.
Ausschlussantrag gegen Wagenknecht
An diesem Wochenende müssen die Genossinnen und Genossen sich selbst einen Schub verpassen. Bei ihrem digitalen Parteitag stimmen sie über ihr Wahlprogramm ab. Die Zustimmung zur Spitzenkandidatur haben Dietmar Bartsch und Janine Wissler bereits seit dem vorhergehenden Parteitag im Februar. Hinzu kommen – wieder einmal – Personaldiskussionen innerhalb der Partei. In der vergangenen Woche haben Mitglieder aus Nordrhein-Westfalen gegen ihre eigene Spitzenkandidatin Sahra Wagenknecht einen Ausschlussantrag gestellt. Die frühere Fraktionsvorsitzende im Bundestag habe der Partei „schweren Schaden“ zugefügt, lautet der Vorwurf. Der entsprechende Tagesordnungspunkt ist für den späten Sonntagnachmittag terminiert.
In ihrem aktuellen Buch greift Wagenknecht so genannte „Livestyle-Linke“ an, denen Identitätsdebatten wichtiger seien als konkrete Klientelpolitik. Zudem steht sie seit Langem für ihre Ansichten zur Flüchtlingspolitik in der Kritik. Die Parteiführung gibt sich alle Mühe, diese Debatte vor dem Parteitag zu entschärfen. Am Montag haben Susanne Hennig-Wellsow und Janine Wissler sich gegen einen Ausschluss ausgesprochen. „Es gibt einige Differenzen innerhalb unserer Partei, die können wir diskutieren." Aber jetzt gehe es um den Wahlkampf und darum, ein passables Wahlergebnis zu erzielen, sagte Wissler. Hennig-Wellsow erklärte gegenüber der "Neuen Osnabrücker Zeitung", sie halte den Antrag gegen Wagenknecht für unbegründet.
Inhaltlich steht die Sozialpolitik im Mittelpunkt der Aussprache. Das Wahlprogramm trägt den Titel „Zeit zu handeln – für soziale Sicherheit, Frieden und Klimagerechtigkeit“. Unter anderem sieht es erhebliche Mehrausgaben im sozialen Bereich vor. Ein Schwerpunkt wird die Verknüpfung des Sozialen mit der Klimapolitik. Die Bremer Linken-Abgeordnete Doris Achelwilm sagte dem WESER-KURIER, die Kosten der Corona-Krise dürften nicht auf die ohnehin schon Betroffenen abgewälzt werden. „Dafür brauchen wir eine gerechtere Steuerpolitik. Und wir müssen weg von der Schuldenbremse.“ Achelwilm wird beim Parteitag vor Ort sein – nicht als Delegierte, sondern als Mitglied im Präsidium.
Mit einem Zukunftsinvestitionsprogramm will die Linke binnen vier Jahren eine Million auskömmlich bezahlte Arbeitsplätze schaffen, um Wirtschaft und Infrastruktur bis 2035 klimaneutral zu machen. Der Mindestlohn soll auf 13 Euro angehoben, die Gehälter im Gesundheits- und Pflegebereich effektiv erhöht werden. Statt Hartz IV sieht das Programm eine Mindestsicherung von 1200 Euro vor. Beim Thema Wohnen will die Linke eine Viertelmillion Sozialwohnungen neu bauen lassen. Sie fordert eine Mietobergrenze für angespannte Regionen wie in Berlin, Immobilienkonzernen soll das Börsengeschäft untersagt werden.
Finanziert werden soll das alles durch die Wiedereinführung der Vermögensteuer und durch höhere Steuern auf Vermögen und Erbschaften. Reichtum von über einer Million Euro soll mit fünf Prozent besteuert werden, das Geld soll in die Länder fließen, für Bildung und Infrastruktur. Für geringe Einkommen hingegen werden monatlich 1200 Euro steuerlich freigestellt.
Kaum Streit in der Außenpolitik erwartet
Außenpolitisch erwartet Doris Achelwilm keinen allzu großen Streit. „Wir bekennen uns zu einer friedlichen Außenpolitik“, sagte sie. Das heiße: Rüstungsexporte stoppen und Ausgaben für militärische Zwecke zurückfahren. Fluchtursachen müssten laut Programm global bekämpft werden, die EU-Flüchtlingslager sollen aufgelöst werden. Auslandseinsätze der Bundeswehr würden beendet. In Anbetracht dieser Haltung dürfte eine irgendwie geartete Koalition im Bund allerdings schwierig bis unmöglich werden. Aber ein Bündnis aus Grünen, SPD und Linken wird ohnehin immer unwahrscheinlicher, je näher der Wahltag rückt.