Die Hauptperson schlich sich durch die Hintertür in den Sitzungssaal E400 im Bundestag. Finanzminister Olaf Scholz (SPD) wollte der wartenden Journalistenmeute am Montag vor Beginn einer Sondersitzung des Finanzausschusses offenkundig entgehen. Dabei hatten weder Union noch Opposition wohl mit einem persönlichen Auftritt des Ministers gerechnet. Als Scholz schon da war, drohte die CDU-Abgeordnete Antje Tillmann noch mit einer Zwangsvorführung des SPD-Kanzlerkandidaten, in dem Sitzungsinhalte als „geheim“ deklariert werden könnten. Das hätte eine alternativ geplante virtuelle Anhörung des Kanzlerkandidaten unmöglich gemacht.
Doch Scholz hatte stattdessen Wahlkampftermine abgesagt und sich den Fragen des Ausschusses gestellt. Vordergründig ging es um Vorwürfe in Zusammenhang mit der ihm unterstellten Anti-Geldwäsche-Einheit FIU. Die zum Zoll gehörende Behörde soll Hinweis auf Terrorfinanzierung nicht rechtzeitig an die Strafverfolgungsbehörden weitergegeben haben. Kürzlich durchsuchte die Staatsanwaltschaft deshalb sogar das Bundesfinanzministerium. Die FIU hat schon im Fall des Pleitekonzerns Wirecard versagt. Von 34 Verdachtsmeldungen in Zusammenhang mit Wirecard blieben nach Angaben des CSU-Bundestagsabgeordneten Hans Michelbach 32 unbearbeitet. „Die Geldwäschebekämpfung ist ein Skandal“, wirft er Scholz vor.
Der Minister hingegen blieb seiner Linie treu und wies die Vorwürfe zurück. Er habe die Zahl der FIU-Beschäftigten deutlich von 100 auf bald 700 erhöht. Die Verfolgung von Geldwäsche sei die beste der vergangenen 30 Jahre. Die Zahl der Verdachtsmeldungen werde weiter zunehmen – sprach es und verschwand nach drei Stunden Anhörung aus dem Bundestag. Schützenhilfe bekam er vom SPD-Abgeordneten Jens Zimmermann. Er schob seinem Vorgänger Wolfgang Schäuble die Schuld in die Schuhe, der die FIU einst eingerichtet und ihr dabei keine größeren Ressourcen zugebilligt habe. „Er hat einen Scherbenhaufen hinterlassen“, betonte Zimmermann.
Mehr als Wahlkampfgetöse kam bei der Sondersitzung nicht heraus. Inhaltlich geht es um sehr komplizierte Zusammenhänge. Deutschland gilt als Geldwäscheparadies. Die FIU sollte den Kampf dagegen aufnehmen. Doch bei rund 150.000 Verdachtsmeldungen im Jahr kommt die Einheit mit der Sichtung der Fälle nicht hinterher. Auch hapert es am Austausch mit den Staatsanwaltschaften. Ermittler wollten die Unterlagen zu einem Verdachtsfall einsehen und starteten deshalb die Durchsuchung des Finanzministeriums, ein bisher einmaliger Vorgang.
Pikant am Vorgehen der Staatsanwaltschaft ist, dass der Chef der zuständigen Staatsanwaltschaft ebenso wie die zuständige Justizministerin in Niedersachsen der CDU angehören. Der SPD-Abgeordnete Cansel Kiziltepe mutmaßte, dass die Union die Staatsanwaltschaft für ihren Wahlkampf missbrauche. Die Partei bestreitet das. Scholz ließ die Anwürfe zwar wie so oft an sich abprallen. Doch wie wichtig ihm der Kampf gegen Geldwäsche ist, zeigt ein kleines Detail der Sitzung. Geladen war auch der Chef der FIU, Christof Schulte. Ihn traf der Finanzminister das erste Mal persönlich, sechs Tage vor dem Ende seiner Amtszeit.