Die Linke will mit Gerechtigkeit und großer Umverteilung im Bundestagswahlkampf punkten. Doch sie liegt in den Umfragen seit Monaten wie einbetoniert bei sechs, sieben Prozent. Das könnte für die Dunkelroten am 26. September noch gefährlich werden. Doch ein mögliches Scheitern an der Fünf-Prozent-Hürde scheint bei ihnen noch nicht als reale Gefahr angekommen zu sein. Vielmehr halten sie sich an der Hoffnung auf ein rot-grün-rotes Bündnis fest, dass laut aktuellen Umfragen wieder möglich wäre.
Dabei gibt es genug Krisensymptome zu erkennen. Da sind zuerst die Ergebnisse bei den Landtagswahlen in diesem Jahr, die wenig Anlass zum Optimismus geben. In Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz kam die Partei nur auf 3,6 beziehungsweise 2,5 Prozent und verfehlte den Einzug in die beiden Landtage deutlich. Noch bitterer war das Abschneiden in Sachsen-Anhalt: Die Linke holte nur elf Prozent in dem ostdeutschen Bundesland, zehn Jahre zuvor waren es noch 23,7; das Ergebnis hat sich mehr als halbiert.
Die Linke hat offenbar Probleme, ihre Klientel noch zu erreichen. Früher hatte sie vor allem im Osten der Republik den Ruf einer "Kümmererpartei", die den "kleinen Leuten" aktiv half, etwa, wenn es mit Behörden Probleme gab. Die Vorsitzende Susanne Hennig-Wellsow hat das Problem erkannt. "Wir brauchen handfeste Kritik statt leerer Versprechungen", sagt sie. Auch kämen die spezifisch ostdeutschen Probleme zu kurz.
Dafür braucht es aber eine klare Wahlkampfstrategie. Doch die ist – wenn überhaupt – nicht auf den ersten Blick erkennbar. Geradezu symbolträchtig ist der Titel des Wahlprogramms. "Für soziale Sicherheit, Frieden und Klimagerechtigkeit" sind gewiss hehre Ziele, aber auch Schlagworte, die beinahe jede Partei für sich beanspruchen könnte. Die Linken sind zu einer Stichwort-Partei mutiert. Ausdruck davon ist ein Wahlplakat mit der selig machenden aber gleichermaßen an Banalität kaum noch zu überbietenden Forderung "Alles muss gerechter werden".
Dabei kann die Linke auch anders. Mit den geforderten harten Einschnitten für Reiche, einer Erhöhung des Mindestlohns auf 13 Euro oder auch einem bundesweiten Mietendeckel nach dem Berliner Modell hat sie durchaus wichtige Alleinstellungsmerkmale. Nur werden die nicht immer gekonnt vermarktet. So gibt es Verwerfungen auf dem Wohnungsmarkt in vielen deutschen Städten. Dennoch geht das Thema im Wahlkampf der Linken etwas unter.
Schon seit Jahren macht die Partei in aller Regel nicht mit realer Politik Schlagzeilen, sondern mit ihren innerparteilichen Fehden. Vor allem der Machtkampf zwischen der Parteiführung um Bernd Riexinger und Katja Kipping und den Fraktionschefs Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch hat Spuren hinterlassen. Und der flammt immer wieder auf, selbst wenn Riexinger, Kipping und Wagenknecht ihre Führungspositionen mittlerweile geräumt haben. So kanzelte Riexinger kürzlich Wagenknechts Bestseller "Die Selbstgerechten" auf einer Online-Parteiveranstaltung als "irre" und "ziemlicher Quatsch" ab. Wagenknechts Anhänger machten mobil und zogen in den sozialen Medien über den früheren Parteichef her.
Dabei liegt die frühere Fraktionschefin mit ihrer Analyse über die deutsche Linke gar nicht so verkehrt. Auch viele Mitglieder der Linkspartei haben sich durch eine betonte Lifestyle- und Identitätspolitik von ihren klassischen Wählern entfernt. So ist es schon auffallend, wie häufig sich Begriffe wie Queer, Feminismus oder Rassismus im Wahlprogramm finden. Während nicht ganz unwichtige Themen wie Länderfinanzausgleich, Obdachlosigkeit oder Netzneutralität nur am Rande erwähnt werden.
Als Ostpartei ist die Linke ein Schatten ihrer selbst und rangiert mittlerweile deutlich hinter SPD und CDU. Auch als Protestpartei wird sie öffentlich kaum noch wahrgenommen. Deshalb ist es auch unverständlich, warum Armin Laschet beim offiziellen Wahlkampfauftakt von CDU und CSU die "Rote-Socken-Kampagne" aus der Mottenkiste hervorgekramte. Momentan taugt die Linke wohl nur noch als Schreckgespenst – wenn überhaupt.