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Parteitag Die Hoffnung auf Unverzichtbarkeit

Die Linke hat es in diesem Wahlkampf schwer wie nie, meint Anja Maier. Sie muss ihre internen Kämpfe schleunigst einstellen, um von den Wählerinnen und Wählern wieder als politische Option gewürdigt zu werden.
20.06.2021, 17:04 Uhr
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Die Hoffnung auf Unverzichtbarkeit
Von Anja Maier

Die Linke hätte es sich nicht besser wünschen können. Noch während ihre Delegierten beim Parteitag am Wochenende vor allem über Sozialpolitik debattierten, sickerten erste Informationen über das Wahlprogramm der Union durch. Unternehmer entlasten, Steuern nicht erhöhen – so in etwa sehen die Pläne von CDU und CSU für die kommenden vier Jahre aus. Die Linke hingegen fordert Mindestlohn, Mindestrente, Grundeinkommen und eine Vermögenssteuer. Der Gegensatz in der öffentlichen Darstellung hätte kaum offensichtlicher sein können.

Aus der Opposition im Bund heraus Umverteilung von oben nach unten zu fordern, ist aber nichts anderes als das Tagesgeschäft der vor vierzehn Jahren aus PDS und WASG fusionierten Partei. Ein Wahlprogramm voller sozialer Segnungen und friedenspolitischer Wünsche beantwortet immer noch nicht die Frage, warum die Bürgerinnen und Bürger am 26. September bei der Linken ihr Kreuz machen sollten. Für eine Antwort bleiben der 60.000-Mitglieder-Partei noch drei Monate. Wird sie von der Wählerschaft als verzichtbar angesehen, droht die politische Bedeutungslosigkeit. Die Linke wird deutlich machen müssen, wofür sie noch gebraucht wird.

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Im Osten war da stets die Erzählung von der identitätsstiftenden Protestpartei, die einen machttaktischen Stachel im Fleisch von CDU und SPD bildete. Hinzu kamen nach dem Mauerfall die vielen einstigen SED-Mitglieder, die vor Ort sichtbar Kümmer-Politik machten. Jüngere Linke-Politiker entstammen mittlerweile allermeist einem weltoffenen akademischen Milieu, die die Welt verbessern möchten, deren eigenes Leben sich jedoch recht angenehm gestaltet. Hier klafft eine deutliche Glaubwürdigkeitslücke zwischen Vertretungsanspruch und handelndem Personal.

Hinzu kommt, dass manche Ostdeutsche sich dreißig Jahre nach der Wiedervereinigung in ihrem latenten Unterlegenheitsgefühl gegenüber dem Westen besser durch die AfD vertreten fühlen. Die rechtspopulistische Partei – deren Spitzenpersonal in Ostdeutschland überwiegend aus dem Westen kommt – bringt Opfererzählung und Voreingenommenheit griffiger zum Ausdruck als die Linke, die ihren solidarischen Markenkern weder aufgeben will noch kann. Sich mit der AfD zu messen, hätte bedeutet, sich mit ihr auf Augenhöhe zu begeben.

Auch deshalb war auf dem Parteitag sehr häufig zu hören, die Union gehöre auf die Oppositionsbank. Gegen einen weit überlegenen Gegner anzugehen, heißt ja auch, sich dessen Stärke zu eigen zu machen. Ein kalkulierter Irrtum also. Denn die Union braucht die Linkspartei mittlerweile nur noch als warnendes Beispiel dafür, zu welchen Allianzen die Sozialdemokraten in der Lage sein könnten. CDU und CSU machen sich bereit, nach der Wahl mit den Grünen zu regieren, möglicherweise mit der hinzutretenden FDP. Das gäbe ein halbwegs progressives Regierungsbündnis, das sozial-, außen- und klimapolitisch viel bewegen könnte, ohne den Bürgerinnen und Bürgern das Gefühl zu vermitteln, in einer Verbotsrepublik gelandet zu sein.

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Platz für die Linke ist in diesen Farbenspielen nicht. Ein jahrelang von Vertretern aus SPD, Linke und Grünen vorangetriebenes „R2G-Projekt“ ist im Höhenrausch der Ökopartei endgültig stecken geblieben. Und die Vorstellung, die SPD könnte ein rot-grün-rotes Bündnis anführen, klingt angesichts des verbreiteten Hangs zu Streit und Nabelschau eher abschreckend. Nachdem das Land unter großen Verlusten durch die globale Pandemie gekommen ist, wird es eine kon-­struktiv arbeitende Regierung brauchen. Streithansl, die sich erst einmal über die Rolle der Bundeswehr verständigen müssten, sind aktuell nicht gefragt.

Das alles macht es der Linken in diesem Wahlkampf schwer wie nie. Sie muss ihre internen Kämpfe um Köpfe und Strömungen schleunigst einstellen, um von den Wählerinnen und Wählern wieder als politische Option gewürdigt zu werden. Wie hat die neue Parteivorsitzende Susanne Hennig-Wellsow in ihrer Parteitagsrede gesagt? „Ich kann euch eines versprechen: Wir gehen nicht zu Boden.“ Diese Zusage einzulösen wird schwer.

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