Zum wiederholten Mal ist im Bundestag über eine Lieferung des Marschflugkörpers Taurus debattiert worden. Diesmal auf Bestreben der FDP. Der Antrag, den Fraktionschef Christian Dürr eingebracht hatte, diente zwei Zwecken: erstens, sich öffentlich vom ehemaligen Koalitionspartner SPD und Bundeskanzler Olaf Scholz abzusetzen, zweitens, einen Keil zwischen SPD und Grüne zu treiben.
Inhaltlich hatte das Ansinnen der Liberalen keine Aussicht auf irgendeinen Erfolg, weil der Bundestag in dieser Frage nicht entscheidet. Zwar ist es wichtig, dass das Parlament über diese Frage debattiert, aber über Waffenexporte befindet allein der Bundessicherheitsrat. In diesem Gremium sind die Liberalen nach dem selbst initiierten Ampel-Aus nicht mehr vertreten.
Wie schon der offene Brief, den Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer in dieser Woche auf den Weg gebracht hatten, war auch die Debatte im Bundestag nicht besonders hilfreich. Weder ist es durch die Entscheidung von US-Präsident Joe Biden, der Ukraine in der Region Kursk den Einsatz von Atacms-Raketen zu gestatten, "eine Minute vor Zwölf", wie Wagenknecht und ihre Unterstützer warnen, noch ist ein "Kurswechsel" in Washington erfolgt, wie Union, FDP und manche Grüne glauben machen wollen.
Bei genauer Betrachtung hat Biden als Antwort auf den Einsatz nordkoreanischer Soldaten der Ukraine gestattet, diese Waffe nicht nur zur Verteidigung von Charkiw einzusetzen, sondern auch in der russischen Region Kursk, die ukrainische Truppen als Faustpfand für spätere Friedensverhandlungen weiter besetzt halten. Das ist kein Kurswechsel, sondern bestenfalls eine Korrektur.
Was ebenfalls stets gepflegt unter den Teppich gekehrt wird, ist die Tatsache, dass der Marschflugkörper Taurus und die Atacms-Raketen nicht vergleichbar sind. Der Taurus hat eine erheblich höhere Reichweite und Zielgenauigkeit als die amerikanische Rakete, zudem wird er aus der Luft und nicht von Land abgefeuert.
Selbst wenn US-Amerikaner, Franzosen und Briten die Tür aufmachen sollten und den Einsatz ihrer Raketen auf russischem Boden komplett freigeben: Das ist kein Grund für Deutschland, dies auch zu tun. Im Gegensatz zu den drei Westmächten ist Deutschland keine Atommacht. Zudem hat keines der anderen Länder eine so unheilvolle gemeinsame Geschichte mit Russland. Diese historische Dimension darf man als deutscher Politiker keinesfalls aus dem Auge verlieren.
Das heißt nicht, dass man Putin alles durchgehen lassen darf. Es heißt auch nicht, dass Deutschland die Ukraine nicht weiter unterstützen sollte. Es bedeutet auch nicht, dass die Ukraine keine Marschflugkörper bekommen sollte, um die Stützpunkte in Russland anzugreifen, von denen das Land völkerrechtswidrig angegriffen wird. Nur ist Deutschland nicht die richtige Adresse. Es gibt durchaus andere Möglichkeiten, entsprechende Waffensysteme zu organisieren.
Auch sollte man endlich aufhören, den unsinnigen Eindruck zu erwecken, die Ukraine kämpfe allein wegen Scholz' Weigerung, den Taurus zu liefern, mit einer gebundenen Hand auf dem Rücken gegen den übermächtigen Angreifer. Alle verfügbaren Marschflugkörper der Bundeswehr werden der Ukraine alleine nicht helfen. Solche Annahmen waren schon beim Leopard-Panzer falsch, sie werden auch beim Taurus nicht richtiger.
Dabei ist die Sache einfach. Wer dieser Frage eine entscheidende Bedeutung beimisst, kann am 23. Februar sein Kreuz an entsprechenden Stellen auf dem Wahlzettel machen. Wer das nicht will, hat Alternativen, sogar im Lager der demokratischen Parteien. Am Ende werden die Wählerinnen und Wähler in dieser Frage das letzte Wort haben.
Dabei sollten die Parteistrategen aber im Auge behalten, dass trotz allen publizistischen Trommelfeuers nach wie vor stabil sechzig Prozent der Bundesbürger eine Lieferung dieser Waffensysteme an die Ukraine ablehnen. Insofern muss sich Scholz im Wahlkampf nicht als Friedenskanzler inszenieren, die Opposition serviert ihm dieses Thema auf dem Silbertablett.