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Energieversorgung Heizsysteme umstellen – gar nicht so einfach

Nicht nur private Hauseigentümer, auch Wohnungsgesellschaften suchen nach alternativen Heizsystemen. Doch mit schnellen Lösungen ist kaum zu rechnen.
04.09.2022, 05:00 Uhr
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Heizsysteme umstellen – gar nicht so einfach
Von Frank Hethey

Die explodierenden Energiepreise zeigen Wirkung: Private Hauseigentümer grübeln, wie sie ihre Heizsysteme so umstellen können, dass nicht ein beträchtlicher Teil des Familienbudgets in die Energiekosten fließt. Doch was ist eigentlich mit Menschen, die kein Wohneigentum haben? Die als Mieterinnen und Mieter auf die Initiative von Vermietern oder Wohnungsgesellschaften angewiesen sind? Der WESER-KURIER hat nachgefragt.

Können Wohnungsgesellschaften ihre Wärmeversorgung rasch umstellen?

Nein, zumindest nicht im Bestand. Der Grund: Die Wohnungsgesellschaften beziehen die Heizenergie von einem Versorger, in Bremen ist der Hauptlieferant meist swb. Die Verträge haben in der Regel längere Laufzeiten. "Kurzfristig umzustellen ist deshalb gar nicht machbar", sagt Gewoba-Sprecherin Christine Dose. Ähnlich sieht es bei Brebau aus. "Umstellen ist aktuell keine Option", sagt Geschäftsführer Thomas Tietje. 

Auf Art und Herkunft der Heizenergie hat die Gewoba nach eigener Darstellung keinen Einfluss. "Wir kaufen Wärme, nicht Gas", sagt Dose. Optionen zur Umstellung auf erneuerbare Energien im Bestand sieht sie allerdings mittel- und langfristig. "Das müssten wir mit den Wärmelieferanten ausloten."  

Ist Fernwärme eine klimafreundliche Alternative zum Gas?

Nicht unbedingt. Entgegen verbreiteter Meinung ist Fernwärme keineswegs gasunabhängig und auch nicht automatisch klimafreundlich. Laut Verbraucherzentrale werden 42 Prozent der Fernwärme in Deutschland mithilfe von Gas erzeugt. In Bremen liefern Kraftwerke die Fernwärme durch das Verbrennen von Abfall, Klärschlamm und künftig auch Erdgas statt Steinkohle.

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Wie groß ist der Fernwärme-Anteil beim Bestand großer Wohnungsunternehmen? 

Mit Fernwärme werden bei der Gewoba 70 Prozent der Wohnungen versorgt, bei Brebau 25 Prozent der Wohnungen. Bei weiteren 700 Brebau-Wohnungen ist für die Wärmeversorgung des Kunden ein sogenannter Contractor zuständig, der ebenfalls vor allem Fernwärme liefert. Beim Eisenbahn Spar- und Bauverein (Espabau) macht Fernwärme nur einen geringen Anteil aus. Den wollte man erhöhen: Es gab Überlegungen, eine Wohneinheit in Findorff an das Fernwärmenetz anzuschließen. Das Vorhaben scheiterte, weil die Entfernung zu groß war.

Woher stammt die Energie sonst noch?  

Bei der Gewoba spielen Blockheizkraftwerke (BHKW) eine bedeutende Rolle, also Mini-Kraftwerke in Hausnähe. 30 Prozent der Wohnungen werden damit versorgt. Betrieben werden sie auch mit Gas, die Anlagen sind aber wesentlich effizienter als ältere Gasanlagen. Als Versorger agiert eine Gewoba-Tochtergesellschaft, die Gewoba Energie.

Ein Großteil der von Gewoba Energie gelieferten Wärme stammt aus Blockheizkraftwerken. Deshalb hat die Gewoba eine Änderung der Energiezufuhr für die BHKW selbst in der Hand. Kleinere Einheiten könnten vielleicht umgestellt werden, sagt Dose. Nur noch eine marginale Rolle spielen bei Gewoba und Brebau konventionelle Ölheizungen. Anders bei den 3200 Wohnungen von Espabau: Ein Drittel wird mit Öl versorgt, je ein weiteres Drittel mit Gaszentralheizungen und Gasetagenheizungen. 

Haben Wohnungsunternehmen bei Neubauten mehr Handlungsspielraum?

Im Prinzip ja. Bei Neubauten prüft Gewoba verschiedene Alternativen zur Gasversorgung: neben Wärmepumpen auch Solarthermie, Passivhäuser und Eisspeicher. Mit erneuerbarer Energie werden 843 Neubauwohnungen ganz oder teilweise versorgt. "Neubauten werden grundsätzlich mit regenerativer Energie geplant", sagt Dose. Bei Lieferengpässen helfen allerdings auch die besten Pläne nichts. "Wir sind froh, wenn wir überhaupt Heizungsanlagen bekommen", sagt Brebau-Geschäftsführer Thomas Tietje.

Der Markt gebe im Augenblick nicht viel her, weder die Technik noch die Materialien. "Wie wollen Sie etwas planen, wenn Sie nicht wissen, was Sie bekommen und was es kostet?" Ähnliche Erfahrungen hat man auch bei Espabau gemacht, mitunter ergeben sich Optionen relativ kurzfristig. Eine größere Wohnungseinheit in Sebaldsbrück sollte ursprünglich mit Gas versorgt werden, nun hat man auf Erdwärme umgesattelt. "Ein Wärmetauscher war zufälligerweise lieferbar", sagt Vorstandsvorsitzender Marc Bohn.    

Wenn kurzfristige Umstellungen nicht möglich sind: Was können Wohnungsunternehmen tun, um die Energiekosten im Bestand zu senken?

Auf den Klassiker verweist Brebau-Geschäftsführer Tietje: die Wärmedämmung. Neue Fenster machten sich ebenso bezahlt wie die Dämmung von Keller- und Geschossdecken. Seine Ansage: "Wir werden weiter versuchen, die Gebäude im Bestand zu optimieren." Allerdings appelliert Tietje auch an die Mieterinnen und Mieter, auch selbst Energie einzusparen. In seinen Augen ist eine Abkehr von bisherigen Gewohnheiten erforderlich. "Ich könnte mir vorstellen, dass man Energiesparen nicht so ernst genommen hat. Weil Energie ja so günstig war." Brebau werde seine Mieter nach Kräften mit Tipps unterstützen. Das Motto: "Prävention durch Information."

Gibt es sonst gar nichts, was Wohnungsunternehmen im Bestand tun können?

Doch, die Gewoba versucht es nach eigener Angabe zumindest. "Es wird gerade umfangreich geprüft, wo wir ganz oder teilweise auf regenerative Energie umstellen können", sagt Sprecherin Christine Dose. Diese Überprüfung gilt aber nur für die 12.000 Wohnungen, die nicht am Fernwärmenetz hängen. Selbst dort, wo sich eine Umstellung auf Wärmepumpen oder Solarthermie als machbar erweisen sollte, ist aber nicht mit einer schnellen Umsetzung zu rechnen. Laut Dose müssen sich die Mieter voraussichtlich bis zum kommenden Jahr gedulden.

Auf die gesetzliche Verpflichtung zur Klimaneutralität bis 2045 verweist Espabau-Chef Bohn. Deshalb sehe man sich schon länger nach einer Versorgung mit erneuerbaren Energien um. Die aktuelle Gaskrise erhöhe jetzt allerdings den Handlungsdruck. Der Haken an der Sache: Eine schnelle Modernisierung könnte sich auf die Nebenkosten niederschlagen und dadurch die Vorteile geringerer Energiekosten wieder aufheben. Bohn: "Momentan eine total vertrackte Situation."

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