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Berlin Müntefering wird Chef-Lobbyist für Senioren

Berlin. Es ist ja nicht so, dass Franz Müntefering aus der Öffentlichkeit verschwunden wäre. „Ich bin nicht mehr Mitglied des Bundestages, aber ich versinke nicht im Schaukelstuhl.
25.11.2015, 00:00 Uhr
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Müntefering wird Chef-Lobbyist für Senioren
Von Holger Schmale

Es ist ja nicht so, dass Franz Müntefering aus der Öffentlichkeit verschwunden wäre. „Ich bin nicht mehr Mitglied des Bundestages, aber ich versinke nicht im Schaukelstuhl. Ich bin ansprechbar“, teilt er zur Sicherheit auf seiner Webseite mit. Aber der frühere SPD-Vorsitzende und Vizekanzler der ersten Regierung von Angela Merkel hat so seine Prinzipien, dafür war er schon immer bekannt. Also mischt er sich nicht mehr in die Tagespolitik ein. Zu groß wäre die Gefahr, dass findige Journalisten einen Weg fänden, seine berühmten Drei-Wort-Sätze auch einmal gegen die Politik der heutigen SPD-Führung zu wenden und daraus Schlagzeilen zu machen. Dafür steht ein Franz Müntefering nicht mehr zur Verfügung, zu lange hat er selber unter solchen Attacken gelitten.

Aber er ist ja ansprechbar, und er spricht auch einiges, sein Spezialthema ist seit einigen Jahren die Demografie, die alternde Gesellschaft. Dazu hält er Vorträge, nimmt an Diskussionen teil. Neulich erst hat er sich in die Debatte über die Sterbehilfe eingemischt, als scharfer Kritiker allein schon dieses Begriffs. „Ärztlich assistierte Beihilfe zur Selbsttötung“, so müsse man das nennen, sagt Müntefering, der 2007 als Bundesarbeitsminister zurückgetreten ist, um seine krebskranke Frau in den letzten Monaten ihres Lebens begleiten zu können. Ein Paukenschlag war das damals in der sich sonst so sehr um sich selbst drehenden Welt der Berliner Politik. Aber sie war ihm doch auch so wichtig, dass er sich nach dem Tod seiner Frau noch einmal in die Pflicht nehmen ließ und zum zweiten Mal SPD-Vorsitzender wurde.

Ein wenig wird Franz Müntefering nun noch ein drittes Mal in die Politik zurückkehren, wenn auch in ganz neuer Funktion, als Lobbyist für eine auch so schon recht einflussreiche Gruppe der Gesellschaft. Wenn alles nach Plan geht, wird er am Mittwoch zum neuen Vorsitzenden der Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen (Bagso) gewählt. Unter diesem Dach haben sich über 100 Verbände mit etwa 13 Millionen älteren Menschen zusammengeschlossen, um deren Interessen gegenüber Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zu vertreten. Vorgeschlagen hat Müntefering übrigens der Deutsche Olympische Sportbund, vielleicht eine späte Anerkennung für den lebenslangen Dauerläufer (so nannte man Jogger früher), der noch mit 70 Jahren sein erstes Sportabzeichen errungen hat.

Vorteilhaft ist, dass die Bagso ihren Sitz als eine der wenigen großen Lobby-Organisationen noch in Bonn hat. Das ist von Münteferings westfälischem Wohnsitz Herne aus leichter zu erreichen als Berlin – dort allerdings könnte er seine heutige Frau Michelle häufiger treffen. Eines ist jedenfalls klar: Er hat mit seinen bald 76 Jahren überhaupt keine Zeit, im Schaukelstuhl zu versinken. Er bleibt ein Vorbild für alle jene, die daran glauben, dass die Demokratie vom Engagement ihrer Bürger lebt.

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