Die Bundesregierung hat für Elbe und Weser bislang keine speziellen Konsequenzen aus der Havarie des Container-Riesen "Ever Given" im Suezkanal gezogen. In seiner Antwort auf eine Anfrage der Grünen-Bundestagsfraktion verweist Verkehrsstaatssekretär Enak Ferlemann (CDU) lediglich allgemein auf ein „hohes Sicherheitsniveau“ auf den deutschen Seeschifffahrtsstraßen. „Anläufe werden zeitlich genau vorgeplant und überwacht.“ Das Havariekommando halte „Notfallkonzepte für die Bergung havarierter Großcontainerschiffe vor“, schreibt das Bundesverkehrsministerium.
Von einer Überarbeitung dieser Pläne nach dem Unglück vom März, das den Suezkanal und damit den internationalen Schiffsverkehr auf den Weltmeeren tagelang blockiert hatte, ist dagegen keine Rede. „Eine abschließende Bewertung wird erst möglich sein, wenn die Erstursache, die für die Havarie ursächlich war, nach den Regeln der internationalen Seeunfalluntersuchung festgestellt worden ist“, heißt es in der Antwort, die dem WESER-KURIER vorliegt. Die „Ever Given“ hatte sich nach Manövrierproblemen quergelegt und war auf Grund gelaufen.
Ähnliche Ereignisse seien auch auf den hiesigen Hafenzufahrten möglich, gibt das Ministerium zu. „Die Unfallzahlen auf den deutschen Revieren sind extrem niedrig. Gleichwohl kann ein Festkommen nicht in jedem Einzelfall ausgeschlossen werden.“ So könnten technische Defekte zu Havarien führen. Die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung (WSV) treffe aber alle Maßnahmen für ein sicheres Befahren der deutschen Wasserstraßen. Dazu zählten die Festlegung maximal zulässiger Windstärken, Begegnungsrestriktionen und eine Lotsenpflicht. Weiterführende technische Anforderungen für besonders große Schiffe mit einer Ladung ab 20.000 Standardcontainern (TEU) auf der kurvigen Elbe wie ein zusätzliches Querruder oder eine Schlepperpflicht sind laut Antwort jedoch nicht vorgeschrieben.

Niedersachsens ehemaliger Umweltminister Stefan Wenzel (Grüne) warnt vor Gefahren durch große Containerschiffe auf Elbe und Weser.
„Es drängt sich der Eindruck auf, dass die WSV auf der Elbe die Sicherheit bei 20.000-TEU-Schiffen nicht gewährleisten kann“, kritisiert Niedersachsens ehemaliger Umweltminister Stefan Wenzel (Grüne). Er verweist darauf, dass vollbeladene Frachter der „Ever Given“-Klasse die fünf- bis sechsfache Segelfläche des Großseglers „Gorch Fock“ erreichen könnten. „Bei starkem Wind ist die Steuerungsfähigkeit daher enorm eingeschränkt“, warnt der Landtagsabgeordnete. Der Kapitän müsse deshalb leicht gegen den Wind halten, um auf Kurs zu bleiben. „Dabei legt sich das Schiff etwas quer und benötigt eine größere Breite der Fahrrinne.“ Um die Steuerungsfähigkeit zu erhöhen und um das enge Tide-Zeitfenster auf der mehr als 100 Kilometer langen Strecke von Cuxhaven nach Hamburg einzuhalten, werde offenbar ordentlich aufs Tempo gedrückt, befürchtet Wenzel.

Der Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium Enak Ferlemann (CDU) aus Cuxhaven verweist auf das "hohe Sicherheitsniveau" auf deutschen Seeschifffahrtsstraßen.
Der Grüne bezieht sich dabei auf Berichte, wonach die Containerriesen auf der Tide-Elbe deutlich schneller fahren sollen als auf dem von Ebbe und Flut beeinflussten Abschnitt des Suezkanals. Fragen dazu weicht das Bundesverkehrsministerium jedoch aus: „Zum Suezkanal liegen keine Angaben vor“, erklärt CDU-Staatssekretär Ferlemann. Indirekt gibt er allerdings zu, dass die Container-Riesen nicht gerade langsam unterwegs sind: „Die zulässigen Geschwindigkeiten der Fahrzeuge auf der Elbe vereinen verschiedene Anforderungen aus Sicherheit, Leichtigkeit, Umweltschutz und Wirtschaftlichkeit.“ Ausdrücklich nennt das Ministerium dabei die „Reduzierung des Windeinflusses auf das Fahrverhalten“, die Ausnutzung des „größtmöglichen Tidefensters zwecks Flexibilität“ sowie die „Dauer der Revierfahrt“ von und nach Hamburg.
„Offenbar akzeptieren die deutschen Behörden alles, was die Reeder ihnen vorsetzen“, schimpft Wenzel. „Speziell mit Blick auf den Hamburger Hafen scheint man weitere Abstriche bei der Sicherheit in Kauf zu nehmen, um die lange Revierfahrt zu ermöglichen.“ Um die Sicherheit deutlich zu verbessern, eine Überforderung öffentlicher Haushalte zu vermeiden und eine weitere Zerstörung von Fluss-Ökosystemen zu verhindern, sei endlich eine gemeinsame europäische Hafenstrategie vonnöten, fordert der Grünen-Finanzexperte aus Göttingen.
Der Ex-Landesminister bewirbt sich bei der Bundestagswahl am 26. September im Wahlkreis Cuxhaven-Stade um ein Direktmandat. Dieses hat bisher Ferlemann inne. Und der Staatssekretär will es auch wieder erobern. Wenzel hatte bereits im Frühjahr eine ausführliche Anfrage an Niedersachsens Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) zur Schiffssicherheit auf den hiesigen Flüssen gestellt, blitzte dabei jedoch komplett ab. Für Wasserstraßen sei allein der Bund zuständig, daher könne und dürfe man keine Auskünfte erteilen, erklärte damals das Ressort in Hannover. Daraufhin wurden die Grünen im Bundestag aktiv. Doch auch die Antwort der Bundesregierung reicht Wenzel nicht. „Die Erläuterungen bleiben unpräzise und ausweichend.“