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Flaggschiff der Bremer Segelkameradschaft Neue "Wappen von Bremen" steht vor der Taufe

Die Segelkameradschaft "Das Wappen von Bremen" (SKWB) bekommt ein neues Flaggschiff - die neue "Wappen von Bremen". Für eine Million Euro wurde das Schiff im ostfriesischen Emden gebaut.
09.04.2016, 00:00 Uhr
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Von Heinz Fricke

Die Segelkameradschaft "Das Wappen von Bremen" (SKWB) bekommt ein neues Flaggschiff - die neue "Wappen von Bremen". Für eine Million Euro wurde das Schiff im ostfriesischen Emden gebaut.

Ehe es losgeht, findet noch eine Handvoll neuer Kochtöpfe im Kofferraum Platz. „Wir müssen doch ausprobieren, was genau auf den Herd passt“, sagt Rudolf Olma, der Segelmeister der Segelkameradschaft „Das Wappen von Bremen“ (SKWB). Und dann geht es los Richtung Ostfriesland, wie rund ein Dutzend Mal im vergangenen Winter. Ziel war in den kalten Wochen stets die Jachtwerft Siemer in Barßel-Reekenfeld, denn dort entsteht, woraus seit einigen Jahren die Träume der Hochseesegler in der SKWB sind: die neue „Wappen von Bremen“. Sie soll in diesem Jahr die alte „Wappen“ ablösen, die rund 37 Jahre lang als Flaggschiff der SKWB über die Weltmeere schipperte und nun zum Verkauf steht.

Wenn die neue Wappen – so ist es derzeit geplant – am 15. Juli um 16 Uhr im Europahafen offiziell getauft wird, beginnt gleichzeitig eine neue Epoche in der Geschichte dieses ziemlich einmaligen Vereins, dessen erstes Anliegen es immer war und auch in Zukunft sein wird, junge Menschen an das Hochseesegeln heranzuführen.

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Das wird auch die primäre Aufgabe der neuen „Wappen“ sein. Für künftige Regatta-Erfolge des Vereins auf hoher See soll weiterhin in erster Linie die „Bank von Bremen“ sorgen, eine ganz auf Schnelligkeit und Gewichtsersparnis ausgelegte Jacht, auf der es entsprechend spartanisch zugeht. Auch die neue „Wappen“ wird gelegentlich bei einer Regatta starten, ohne vom Sieg träumen zu können. Doch die jungen Menschen, die meist unter Leitung eines erfahrenen Skippers die Besatzung bilden, sollen ja vor allem lernen, sich im Wettbewerb zu behaupten.

"Das Boot ist vom Bug bis zum Heck zu Ende gedacht"

Der WESER-KURIER hat verfolgt, wie der Kasko, die reine Schale der neuen „Wappen“ aus Aluminium, in der Halle der Yachtwerft Benjamins in Emden geformt und zusammengeschweißt wurde. Wir haben gestaunt, wie perfekt die immerhin 16,80 Meter lange und 4,90 Meter breite Metall-Schale über Land nach Barßel zur Siemer-Werft kutschiert wurde. Und dort haben wir verfolgt, wie allmählich aus dem nackten Kasko von Woche zu Woche mehr Jacht wurde – ein schnittiges hochseegeeignetes Boot, in das viele Ideen von vielen Fachleuten einflossen. Vor allem von Torsten Conradi, dem Miteigentümer des weltweit renommierten Konstruktionsbüros Judel/Vrolijk & Co. in Bremerhaven.

Aber auch von vielen erfahrenen Skippern der SKWB, die immer mal wieder vorbeischauten in Barßel, um die Fortschritte zu begutachten. „Das Boot ist vom Bug bis zum Heck zu Ende gedacht“, sagt Rudi Olma. Und Jochen Orgelmann, der Vorsitzende der SKWB, ergänzt: „Wir haben uns bewusst für Unternehmen in der Region entschieden, so können wir den Bauprozess viel direkter begleiten.“

Eine Jacht wie die neue „Wappen von Bremen“ baut sich nicht in ein paar Wochen. „Es gibt eine Faustregel für Aluminium-Schiffe dieser Größenordnung. Und die lautet: Ein Schiff – ein Jahr – vier Mann“, sagt Alexander Siemer, der 35-jährige Chef der Firma, der gemeinsam mit seinem Vater die Werft aufbaute und sie zu einem weit über die Region hinaus bekannten Unternehmen formte. Überhaupt, diese Region rings um Papenburg nahe der holländischen Grenze: Dort ist Schiffbauer-Land – mit der weltweit führenden Meyer-Werft und ihren Kreuzfahrt-Riesen an der Spitze. „Und hinter der holländischen Grenze gibt es noch jede Menge Konkurrenz“, sagt Alexander Siemer, in dessen Hallen derzeit rund 150 Boote auf Bearbeitung oder Verkauf warten.

Sonderwünsche, die ins Geld gehen

Man ist im Zeitplan. Die weitgehend in hellem Holz gehaltene Innenausstattung mit zehn Kojen, Messe, Kombüse, Nasszelle und den beiden Bädern passt zentimetergenau, auch Elektronik und 105-PS-Motor sind installiert und angeschlossen. Siemer verbaute allein für 400.000 Euro Fremdmaterial, über einen Kilometer Kabelstränge sind eingezogen und befestigt. Alles ist zweckmäßig und technisch auf dem neuesten Stand, doch Luxus findet man nirgends. „Wenn ein Privatmann solch eine Jacht in Auftrag gibt, kommt sie in der Regel rund eine halbe Million teurer“, sagt Segelmeister Rudi Olma und begründet: „Solche Leute haben immer Sonderwünsche, die richtig ins Geld gehen.“

Auch die Bremer Ausrüsterszene ist bei der „Wappen“ vertreten. Die Segel kommen von Beilken Sails – dazu gehören ein durchgelattetes Großsegel, Trysegel, eine Genua, ein Kuttersegel, eine Sturmfock, ein Code Zero, ein Gennaker und ein Gennaker A4. Das Tauwerk liefert die Firma Gleistein in Bremen-Nord, die internationalen Ruf genießt.

Und wie bewältigt die neue „Wappen von Bremen“ den weiten Weg von Ostfriesland zur Weser? „Kein Problem“, glaubt Alexander Siemer und erläutert: „Wenn der sieben Tonnen schwere Kiel montiert ist, wird die Wappen einen Tiefgang von 2,70 Metern haben. Und der Küstenkanal bei uns vor der Haustür weist eine Tauchtiefe von 2,90 Metern auf.“ 20 Zentimeter Sicherheit also, ist das nicht etwas knapp? Siemer grinst: „Meyer schickt seine Schiffe auch schon mal mit fünf Zentimetern Toleranz raus. Die sind ja eher etwas größer, aber es hat noch immer funktioniert.“ Wie hoffentlich demnächst auch bei der neuen „Wappen“ auf dem Weg in ihre künftige Heimat.

Die Vorgeschichte

Am ersten Sonnabend im November treffen sich die Mitglieder der Segelkameradschaft „Das Wappen von Bremen“ (SKWB) schon seit Jahrzehnten in der Oberen Rathaushalle zum Hochseeseglerabend, dem gesellschaftlichen Höhepunkt des Jahres. Und als es im Spätherbst des vergangenen Jahres wieder so weit war, hatte Vorsitzender Jochen Orgelmann eine alle begeisternde Nachricht zu verkünden: „Die neue Wappen ist im Bau. Und wenn alles passt, wird sie im Frühsommer 2016 in Dienst gestellt.“

Damit wurde ein Meilenstein in der Geschichte der Segelkameradschaft gesetzt – mit einer jahrelangen Vorgeschichte. Denn schon über drei Jahre vorher war es unter den Mitgliedern der SKWB ein immer wiederkehrendes Gesprächsthema gewesen: Wann kommt eine neue „Wappen“? Es schien an der Zeit, sich allmählich Gedanken über einen Nachfolger des aktuellen Flaggschiffs der SKWB zu machen.

Schließlich hatte die alte „Wappen“, ein speziell für Langfahrten gedachtes Holzschiff, die Weltmeere inzwischen etliche Male durchkreuzt. Genauer: Über eine halbe Million Seemeilen sind im Fahrtenbuch verzeichnet. Doch das soll noch längst nicht alles sein: „Die alte Wappen hat erst rund die Hälfte ihres Lebens hinter sich. Das Boot ist hundertprozentig in Ordnung“, sagt Orgelmann. Dennoch soll sie nun verkauft werden – aus einem sehr menschlichen Grund: „Die Entwicklung ist rapide weitergegangen. Und man will ja irgendwann auch ein neues Auto fahren“, sagt der Präsident.

Keine öffentlichen Zuschüsse

Die „Wappen von Bremen“ geht allerdings etwas mehr ins Geld als etwa ein neuer Mercedes. Rund eine Million Euro sind aufzubringen, und das hat die 700 Mitglieder starke SKWB allein aus eigener Kraft geschafft, ohne öffentliche Zuschüsse. Allerdings auch nicht gerade mit lockerer Hand. „Wir hätten die Entscheidung gerne schon zwei Jahre vorher getroffen. Aber da reichte das Geld noch nicht“, sagt Orgelmann.

Doch dann strengte sich der „Patenring“ des Vereins, ein Zusammenschluss von etwas mehr als 100 fördernden Mitgliedern, noch einmal richtig an und schaffte die benötigte Summe. „Es gibt Einzahlungen zwischen 20 und 20.000 Euro. Jeder entsprechend seinen Möglichkeiten“, lobt Orgelmann die Mitglieder. Und die Gefahr unerwarteter Preissteigerungen, wie ansonsten bei Großbauten durchaus an der Tagesordnung, besteht nicht. Orgelmann: „Der Festpreis ist abgemacht.“

Zwei Dinge waren dem neunköpfigen Bauausschuss der SKWB, besetzt durchweg mit erfahrenen Schiffern des Vereins, sofort klar: Zum einen sollte es einen Aluminium-Rumpf erhalten, im Gegensatz zur Holzkonstruktion der alten „Wappen“. Denn Aluminium ist leichter als Holz, sehr schwer verformbar und daher bestens geeignet, auch mal Kollisionen mit kapitalen Eisschollen zu überstehen, wie sie der „Wappen“ bei ihren Törns in nördliche Regionen immer wieder begegnet sind. Und außerdem ist Aluminium, sofern es sich um einen Einzelbau handelt, billiger als Kunststoff. Kunststoff-Konstruktionen, die vorab eine komplette Form benötigen, lohnen sich erst in größeren Serien – und wären im Fall der „Wappen“ rund 200 000 Euro teurer gekommen.

Zum zweiten sollte das Schiff in der Region gebaut werden, von auf kleine Jachten spezialisierten mittelständischen Unternehmen. Orgelmann: „Bei international aktiven Großwerften wie Lürssen oder Abeking & Rasmussen brauchen wir mit solch einem Auftrag gar nicht erst anzufragen. Die spielen in einer Welt-Liga und bedienen die Milliardäre.“

Keine Probleme gab es bei der Frage nach einem namhaften Konstrukteur. Das Bremerhavener Konstruktionsbüro Judel/Vrolijk & Co. hat in internationalen Segler-Kreisen einen exzellenten Ruf. Und da traf es sich gut, dass Torsten Conradi, der Geschäftsführende Gesellschafter und Miteigentümer des weltweit operierenden Konstruktionsbüros, auch seit Jahrzehnten Mitglied der SKWB ist. „Den Vorentwurf hat er uns kostenlos gemacht“, würdigte Orgelmann das in diesem speziellen Fall besonders hoch geschätzte Klubmitglied.

Der Konstrukteur

Es ist ähnlich wie beim Häuserbau, da braucht man zu allererst einen Architekten. Der Architekt im Bootsbau heißt Konstrukteur, und solch einen musste die Segelkameradschaft „Das Wappen von Bremen“ (SKWB) für die neue „Wappen“ nicht erst lange suchen. Denn zu den Mitgliedern der SKWB gehört seit vielen Jahren auch der Bremer Torsten Conradi. Und der ist erstens Diplom-Ingenieur für Schiffbau und zweitens zur Hälfte Eigentümer eines der weltweit renommiertesten Konstruktionsbüros für schnelle, regattataugliche Segel-Jachten: Judel/Vrolijk & Co. in Bremerhaven.

Wer sich in der Welt des Regattasegelns auskennt, dem ist der Name geläufig – und das seit vielen Jahren. „Als der Kampf um den Admiral’s Cup noch das Nonplusultra des Hochseesegelns war, waren unsere Boote immer vorne dabei“, sagt Torsten Conradi und überschlägt schon mal: „So rund 20 Mal kamen Sieger-Boote aus unseren Konstruktionsbüros.“ Und dieser internationale Rang hat sich nicht geändert: Wer den Entwurf einer neuen Jacht bei Judel/Vrolijk in Auftrag gibt, muss sich auf Wartezeiten einstellen.

Nun also die neue „Wappen“. Nicht unbedingt ein Auftrag für Judel/Vrolijk, der sich besonders gut rechnete; das verhinderten die engen Bande zwischen Konstrukteur und der Segelkameradschaft. „Den Vorentwurf hat uns Torsten schon mal geschenkt“, erzählt der SKWB-Vorsitzende Jochen Orgelmann.

Zweite Toilette war Streitpunkt

Das allerdings war schon der zweite Schritt auf dem Weg zum neuen Flaggschiff, denn erst einmal wurde darüber diskutiert, ob eine General-Überholung der alten „Wappen“ nicht auch reichen würde. Es wurde gerechnet, mit einem letztlich erfreulichen Ergebnis für die Befürworter eines Neubaus: „Eine Generalüberholung hätte auch schon fast eine halbe Million gekostet“, glaubt Torsten Conradi. Dann ging man ins Detail. Ein Bauausschuss aus Skippern mit jahrzehntelanger Erfahrung wurde gegründet, in regelmäßigen Abständen trafen sich die Mitglieder und diskutierten über alles, was die neue „Wappen von Bremen“ so haben sollte. Als umstrittenster Punkt erwies sich dabei eine vermeintliche Nebensächlichkeit: „Die haben sich die Köpfe darüber heißgeredet, ob eine zweite Toilette an Bord sein sollte“, erinnert sich Conradi.

„Dat hebt wie noch nie hebt, dat ist neumodischen Kram“, argumentierten vor allem die etwas Älteren im Bauausschuss, die sich noch daran erinnerten, dass Frauen an Bord von Hochsee-Jachten ehemals ein Unding waren. Doch das war einmal, inzwischen geht kaum ein Hochsee-Törn der SKWB ohne weibliche Crew-Mitglieder auf große Fahrt. Das sah schließlich auch die Mehrheit ein, die neue „Wappen“ wird also zwei Toiletten haben. „Aber keine Dusche, das hätte dann doch zu weit geführt“, erzählt Conradi.

Doch insgesamt wurde nicht an angemessenem Komfort gespart. Denn die neue „Wappen“ wird, wie auch die alte, keine reine Rennjacht sein, bei der es vor allem um Gewichtsersparnis auch zulasten der Bequemlichkeit geht. „Wir haben wieder ein gutmütiges Schiff konstruiert“, sagt Torsten Conradi. Und das heißt unter anderem: Zehn breitere und mit 2,05 Metern etwas längere Kojen, denn auch Segelsportler sind im Laufe der Jahrzehnte größer und schwerer geworden. Zwei weitere Schlafplätze lassen sich noch in der Messe einrichten. Und da ist auch ein Sofa geplant, ein wenig Gemütlichkeit soll schließlich sein.

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