Der Zusammenbruch der DDR bedeutete für ihre Lenker das Karriereende. Was ist aus ihnen geworden? Einer lebt im hohen Norden, einer im tiefsten Süden Deutschlands. Die einzige Frau unter ihnen hat es nach Chile verschlagen.
Egon Krenz, 77, war ab 1984 als Stellvertreter Erich Honeckers der zweite Mann im ostdeutschen Staat. Nach dem Fall der Mauer bis zum geschlossenen Rücktritt des Politbüros war er selbst sieben Wochen lang DDR-Staatsratsvorsitzender.
Der Begriff der „Wende“ geht auf Krenz zurück, der ihn im Oktober 1989 auf einer Tagung des SED-Zentralkomitees (ZK) benutzte, jedoch in anderer Absicht. In einem Interview, das in der diesjährigen Neuauflage seines Buchs „Herbst 89“ abgedruckt ist, heißt es: „In Richtung deutsche Einheit hat mein Wendebegriff nie gezeigt.“ Weiter sagt Krenz dort, es schmerze ihn noch immer, dass es nicht gelang, „die Krise der DDR zu überwinden, ohne die DDR aufzugeben“. Krenz’ öffentliche Auftritte wie bei der Vorstellung des Buchs Ende September in Berlin sind häufig von Protesten begleitet – anders als die Vorträge, die er hin und wieder vor DDR-Nostalgikern hält.
Krenz wurde wegen seiner Mitverantwortung für Tötungen an der Mauer zu sechseinhalb Jahren Haft verurteilt, wovon er vier verbüßte. Seit seiner Entlassung im Jahr 2003 lebt er im Ostseebad Dierhagen.
Lothar de Maizière, 74, amtierte ab April 1990 als erster demokratisch gewählter und zugleich letzter Ministerpräsident der DDR. Ab der Wiedervereinigung war er Bundesminister für besondere Aufgaben. Dieses Amt legte er jedoch zwei Monate später nieder, nachdem der „Spiegel“ Recherche-Ergebnisse publiziert hatte, laut denen er für die Stasi gearbeitet hatte. Obwohl 1992 durch veröffentlichte Akten als IM „Czerni“ identifiziert, bestreitet er bis heute, Stasi-Spitzel gewesen zu sein.
Heute arbeitet der gelernte Rechtsanwalt in einer Berliner Kanzlei. Er führt die Stiftung Denkmalschutz Berlin und den Deutschen Lenkungsausschuss des Petersburger Dialogs, eines Forums für deutsch-russische Verständigung.
De Maizière gehört zu einer einflussreichen Familie: Sein Onkel Ulrich de Maizière war Generalstabsoffizier der Deutschen Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg und später Generalinspekteur der Bundeswehr. Der aktuelle Innenminister Thomas de Maizière ist dessen Sohn und somit Lothar de Mazières Cousin.
Günter Schabowski, 85, war zeitweise als Nachfolger Honeckers als Staatsratsvorsitzender und SED-Generalsekretär im Gespräch. Berühmt wurde er aufgrund eines folgenschweren Irrtums: Als Informationssekretär des ZK verlas er am 9. November 1989 den Entwurf einer großzügigeren Reiseregelung, nicht wissend, dass diese erst am Folgetag bekannt gemacht werden sollte. Wenige Stunden nach der live im DDR-Fernsehen übertragenen Pressekonferenz fiel die Mauer, nachdem der Ansturm ausreisewilliger Ostberliner die Grenzposten unvorbereitet getroffen hatte.
Ab 1992 schrieb Schabowski für eine von ihm gegründete lokale Wochenzeitung in Rotenburg an der Fulda, bis er 1999 aufgrund seiner Mitverantwortung für den Schießbefehl an der Mauer ins Gefängnis musste. Im Unterschied zu anderen SED-Größen hat Schabowski sich öffentlich zu seiner Verantwortung bekannt: „Ich schäme mich für den Staat, an den ich bis zuletzt geglaubt habe“, sagte er anlässlich des 20. Jahrestags des Mauerfalls. Aufsehen um Schabowski gab es damals, weil er sich mit Egon Krenz eine Kontroverse über die Verantwortung für die ungeplante Maueröffnung lieferte. Laut seiner Frau Irina, mit der er in Berlin lebt, möchte er zum 25. Jahrestag des Mauerfalls öffentlich auftreten, wenn es seine Gesundheit erlaubt. Schabowski ist schwer herzkrank.
Alexander Schalck-Golodkowski , 82, sicherte als Staatssekretär für Außenhandel mit verdeckten Geschäften die Zahlungsfähigkeit der DDR und wurde als oberster Devisenbeschaffer bezeichnet. Sein größter Coup war ein Kredit der Bundesrepublik an die DDR in Höhe von einer Milliarde D-Mark, den er 1983 mit dem damaligen CSU-Chef Franz Josef Strauß aushandelte. Egon Krenz wollte ihn Ende 1989 zum Präsidenten des Ministerrats machen, was aufgrund der Aufdeckung wirtschaftlicher Verstrickungen scheiterte. Nach dem Mauerfall versteckte Schalck-Golodkowski sich mehrere Wochen lang im Keller eines Pfarrhauses in München-Pasing.
Mitte der 90er-Jahre wurde er wegen illegaler Waffengeschäfte und Embargo-Vergehen zu Bewährungsstrafen verurteilt. Dank seiner guten Kontakte brachte er es im Westen zu Wohlstand und ließ sich in Rottach-Egern am Tegernsee nieder, wo er mit seiner zweiten Frau Sigrid lebt. Er gibt keine Interviews mehr und beteiligt sich nicht am politischen Diskurs. Sein letzter öffentlicher Auftritt liegt 14 Jahre zurück – zur Veröffentlichung seiner Memoiren sagte er im Jahr 2000: „Ick hab‘ nich beschafft, ick hab‘ erarbeitet.“
Margot Honecker, 87, war von 1963 bis 1989 Ministerin für Volksbildung der DDR. Unter ihrer Führung wurde das Bildungswesen in der DDR militarisiert – Schüler mussten den Handgranatenwurf üben und mit Gewehren hantieren. Ihre Haartönung brachte der dritten Frau Erich Honeckers den Spitznamen „lila Hexe“ ein.
Als dieser 1992 von Russland an Deutschland ausgeliefert wurde, reiste Margot Honecker zu ihrer Tochter nach Santiago de Chile, wo sie bis heute lebt. Erich Honecker folgte ihr nach seiner Freilassung im Jahr 1993, starb jedoch im folgenden Jahr.
Mehrere Strafanträge gegen Margot Honecker nach der Wende scheiterten – an Beweismangel, oder weil sie in Chile für die deutsche Justiz nicht greifbar war.
In einer NDR-Doku zeigte Honecker sich 2012 bei ihrer ersten Äußerung zum Ende der DDR frei von Einsicht oder gar Reue. Für öffentliche Aufregung sorgte ihre Äußerung, die 1500 Euro, die sie von der Bundesrepublik Deutschland als Rente bezieht, seien „unverschämt wenig“. Ansonsten meidet sie öffentliche Aufritte und lebt in bescheidenen Verhältnissen in einem kleinen Reihenhaus in Santiago. Honecker ist Ehrenmitglied der KPD.