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Krieg in der Ukraine Welche Rolle Bremerhaven bei der Lieferung von Militärgütern spielt

Als Umschlaghafen für das US-Militär spielt Bremerhaven seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs eine besondere Rolle. Das scheint sich jetzt im Ukraine-Krieg fortzusetzen.
21.02.2023, 17:16 Uhr
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Welche Rolle Bremerhaven bei der Lieferung von Militärgütern spielt
Von Christoph Barth

Wie eine Bastion ragt die ABC-Halbinsel in den Bremerhavener Kaiserhafen hinein, an drei Seiten von Wasser und meterhohen Kajen aus Stahl und Beton umgeben. Ihren Namen trägt sie wegen der Schuppen, die hier früher einmal standen: Die schmucklosen Stückgut-Lagerhallen, durchbuchstabiert von A bis D, mussten Ende der 1970er-Jahre dem Import von Autos aus Japan und Korea weichen. Heute ist die ABC-Halbinsel ein asphaltierter Großparkplatz, an dem Autotransporter ihre Fracht entladen. Und manchmal wird sie kurzerhand zum militärischen Sperrgebiet: Wenn die US-Armee hier ihr Großgerät entlädt, muss alles andere weichen. So wie in den vergangenen Wochen. Und dieses Mal ist es keine Übung, sondern Ernst. 

Seit Sonntag liegt die "Endurance" an der ABC-Halbinsel. Das 265 Meter lange Schiff gehört der US-Reederei American Roll-on Roll-off Carrier (ARC), die hauptsächlich im Regierungsauftrag unterwegs ist: Von den Möbeln der in Deutschland stationierten US-Soldaten bis hin zu Panzern und Hubschraubern transportieren die blau-weißen Schiffe in ihren weiten Bäuchen alles, was vom Pentagon in Marsch gesetzt wird. In Bremerhaven rollen jetzt unverkennbar Schützenpanzer und andere Militärfahrzeuge über die Rampen der "Endurance" an Land.

Wenn es ins Manöver geht, begleitet das US-Militär die Reisen seiner Schiffe gerne mit einer PR-Kampagne – als kleine Machtdemonstration, um Freund und Feind zu zeigen, was man alles kann. Zur aktuellen Mission der "Endurance" jedoch schweigt die Army. Auch von der BLG, die mit ihren Hafenarbeitern beim Entladen der Schiffe hilft, heißt es nur: kein Kommentar. Und in der Behörde der Häfensenatorin würde man um die "Endurance" am liebsten so wenig Aufhebens wie möglich machen: Jedes Wort zu viel wäre ein Sicherheitsrisiko, so scheint es. 

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Denn die Ladung der "Endurance" zieht nicht ins Manöver, sondern in den Krieg. Das Material soll der Ukraine helfen, den russischen Invasionstruppen standzuhalten, die das Land vor einem Jahr überfallen haben. Mitte Januar hatte die US-Regierung die neue Lieferung angekündigt. Zum Hilfspaket gehören mehr als 100 Schützenpanzer vom Typ Bradley und 90 Radpanzer vom Typ Stryker – genug, um zwei Brigaden damit auszurüsten, so das Pentagon. Die Bradleys sind die ersten schwer gepanzerten Kettenfahrzeuge, die die USA der Ukraine in diesem Krieg zur Verfügung stellen.

Und diese Panzer rollen jetzt offenbar auf der Bremerhavener ABC-Halbinsel an Land. Die "Endurance" ist bereits das zweite Schiff mit militärischer Fracht in kurzer Zeit, das an der ABC-Halbinsel festmacht: Vor einer Woche hatte die "ARC Integrity" dort gelegen und ebenfalls Militärgerät entladen. Rund 60 Bradleys im sandfarbenen Wüstenlook standen am Ende auf der Kaje, dazu andere gepanzerte Mannschaftstransporter, Militär-Lkw, Humvees – alles in allem ein paar Hundert Fahrzeuge. Die Bremerhavener "Nordsee-Zeitung" will erfahren haben, dass die Panzer zunächst zu einem US-Stützpunkt in Mannheim transportiert werden. Die "ARC Integrity" fuhr anschließend weiter nach Klaipeda in Litauen.

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Wichtige Drehscheibe in der Logistik

Bremerhaven scheint also wieder einmal eine wichtige Drehscheibe in der Logistik der US-Militärs zu sein. Diese Rolle hatten die Amerikaner dem Hafen an der Unterweser bereits am Ende des Zweiten Weltkriegs zugedacht. Noch während die Bomben auf Deutschland fielen, fiel auf der Suche nach einem Nachschubhafen für die künftigen Besatzungstruppen die Wahl der US-Planer auf Bremerhaven. Der Krieg war kaum einen Monat vorbei, da lief bereits das erste Versorgungsschiff ein. Während andere Hafenstädte in Trümmern lagen, sorgten die Amerikaner dafür, dass sich die Kräne in Bremerhaven schnell wieder drehten.

Die mausgrauen Truppentransporter und Frachtschiffe mit dem Sternenbanner am Heck gehörten fortan zum Nachkriegsbild der Hafenstadt. 1949 liefen allein 600 US-Militärschiffe den "Bremerhaven Port of Embarkation" an – den zentralen Einschiffungshafen der US-Streitkräfte in Europa. Schiffe wie die "General Simon S. Buckner", "General Maurice Rose" und "General William O. Darby" pendelten in den 1950er-Jahren fast im Linienverkehr über den Atlantik. An der Columbuskaje spielte die Blaskapelle der US-Armee, und die GIs winkten den "Frolleins" ein letztes Goodbye.

Die GIs reisen im Flugzeug

1966 war es damit auf einmal vorbei. Die GIs reisten fortan im Flugzeug nach Germany und zurück; die Rhein-Main Airbase in Frankfurt wurde zum "Gateway to Europe". 1970 verlegte die US-Armee zudem ihr Terminalkommando Europa nach Rotterdam – Bremerhaven verlor damit seine Rolle als europäisches Hauptquartier für den US-Nachschub über See. Nach dem Ende des Kalten Krieges schlossen die Amerikaner Mitte der 1990er-Jahre die Carl-Schurz-Kaserne im Norden der Stadt und zogen sich aus Bremerhaven zurück. Heute hält eine US-Transportkompanie als letzte Einheit die Stellung.

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Denn Militärgerät wurde und wird weiter in Bremerhaven umgeschlagen. 1973 führte das sogar zu einer diplomatischen Krise, als die Amerikaner während des Yom-Kippur-Krieges im Nordhafen heimlich Panzer und Artillerie auf israelische Schiffe verluden. Die Bundesregierung war darüber nicht informiert und sah ihre Neutralität verletzt. Nach dem irakischen Überfall auf Kuwait 1990 wurde Bremerhaven – diesmal mit Billigung der Bundesregierung – zum Aufmarschgebiet für die alliierte Gegenoffensive "Desert Storm": Binnen weniger  Wochen verluden die Hafenarbeiter 20.000 Fahrzeuge zweier US-Divisionen aus Süddeutschland auf mehr als 80 Schiffe.

Und nach der russischen Annektion der Krim 2014 verlegten die US-Militärs immer wieder Kampfbrigaden über Bremerhaven zu Übungen nach Osteuropa. Sie sollten zeigen, dass es die USA mit der Verteidigung der Nato-Ostgrenze ernst meinten. Damals waren das nur Manöver. Jetzt ist aus der Übung bitterer Ernst geworden.

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