Dass Wirtschaft und Politik oft eng miteinander verbandelt sind, ist eine Binsenweisheit. In Deutschland wird dafür Gerhard Schröder oft als Beispiel genannt, der nach seinem Abschied als Bundeskanzler 2005 sehr flott eine neue Karriere im Reich seines Freundes, des russischen Präsidenten Wladimir Putin eingeschlagen hat. Derzeit ist er Aufsichtsratsvorsitzender der vom Staatsunternehmen Gazprom dominierten Ostseepipeline-Gesellschaft Nord Stream und des russischen Energiekonzerns Rosneft. Der ukrainische Außenminister Pavlo Klimkin hat deshalb nun gefordert, Schröder als „weltweit wichtigsten Lobbyisten für Putin“ mit Sanktionen zu belegen. Er folgt damit einer Anregung des US-Wirtschaftsmagazins „Wall Street Journal“, das Schröder sogar als „wichtigsten Oligarchen Putins“ bezeichnet hat.
Es ist leicht zu erkennen, dass hinter diesen politisch verbrämten Forderungen wiederum eindeutig wirtschaftliche Interessen stecken. Es gibt in der Ukraine wie in den USA heftige Kritik an den Plänen, eine zweite Nord-Stream-Pipeline für die Erdgasversorgung Westeuropas aus Russland zu bauen. Das läuft sowohl den Interessen der im Fracking-Geschäft engagierten US-Konzerne wie denen der Ukraine entgegen, deren Schlüsselstellung als Transitland für russisches Erdgas weiter geschwächt würde. Die Bundesregierung unterstützt das Projekt von Schröders Unternehmen. In der EU-Kommission und den osteuropäischen EU-Staaten gibt es allerdings ebenfalls Kritik, weil die neue Pipeline die Abhängigkeit der westeuropäischen Energieversorgung von Russland steigern könnte.
Seriös und überschaubar
Die Angriffe auf Schröder ausgerechnet aus der Ukraine entbehren nicht einer gewissen Ironie, denn das Land und seine Regierung gelten nicht nur in Brüssel als die korruptesten in Europa. Räuberische Oligarchen beherrschen Politik und Wirtschaft. Sein Präsident, der Unternehmer Petro Poroschenko, trägt den schönen Spitznamen Schokoladenoligarch, weil er sich seine ersten Millionen in dieser Branche beschafft hat. Doch die Panama-Papers haben enthüllt, dass er und seine Familie inzwischen in vielfältigen internationalen Geschäften engagiert ist.
Daran gemessen erscheinen die Aktivitäten von Altkanzler Schröder als seriöse und überschaubare Tätigkeiten, freilich im Namen russischer Konzerne, die aber wiederum auch im Interesse ihrer deutschen Partner liegen. Zweifellos ist der ehemalige Kanzler mit seinen Beziehungen in Politik und Wirtschaft beider Länder heute eine der wichtigsten Persönlichkeiten der deutsch-russischen Beziehungen, die angesichts ihrer politisch bedingten Abkühlung eher mehr denn weniger Zusammenarbeit gebrauchen könnten.