Es gibt einen schmalen Grat der Einigkeit unter den Abgeordneten im Deutschen Bundestag, über alle Fraktionsgrenzen hinweg: „Der Bundestag ist viel zu groß.“ Nach dieser Aussage ist es dann aber schon vorbei mit der parlamentarischen Geschlossenheit. Die Opposition drängt auf substanzielle Reformen, sozusagen „an Haupt und Gliedern“. Die Groko verspürt naturgemäß wenig Drang, einfach den Forderungen der kleineren Fraktionen nachzugeben. Sie selbst findet aber auch keinen Kompromiss, das Wort von einer „Notlösung“ macht die Runde. Der Bundestag steckt in der Selbstblockade in eigener Sache.
Das ist gar nicht gut fürs Image. Zumal es professionelle Beobachter gibt, die vermuten, Union und SPD sind insgeheim ganz froh, wenn es mit der Wahlrechtsreform nicht so recht vorangeht. Denn eine Schrumpfung des Parlaments, insbesondere durch weniger Direktmandate, würde insbesondere die Fraktionen von CDU und CSU treffen. Das empfinden die direkt gewählten Abgeordneten als bedrohlich. Ärger und Frust in den eigenen Reihen droht.
Auf der anderen Seite kommt ein in der Öffentlichkeit weitverbreiteter Verdacht hinzu: Der aufgeblähte Bundestag diene den Parteien doch nur dazu, verdiente Mitstreiter mit ein paar Jahren in Berlin zu belohnen. Dabei fällt allerdings unter den Tisch, dass von den aktuell 709 Abgeordneten allein 111 ihren Sitz durch Überhang- und Ausgleichsmandate bekommen haben. Damit sitzen im Bundestag mehr Volksvertreter als im britischen House of Commons (650) oder der französischen Nationalversammlung (577). Spanien kommt sogar mit weniger als die Hälfte an Sitzen aus (350).
Kein Mehr an Effektivität
Nach gewissen Szenarien könnte sich das Parlament nach der Bundestagswahl 2021 sogar auf rund 800 Abgeordnete aufblähen – die Sollgröße liegt bei 598. Damit würde der gesamte Apparat noch teurer werden. Mehr Abgeordnete bedeuten mehr Diäten, mehr Büros, mehr Mitarbeiter, nicht zuletzt mehr Pensionen. Das dürfte dem Steuerzahler nur schwerlich zu vermitteln sein. Zunehmende Größe heißt auch kein Mehr an Effektivität. Ein Parlamentarier aus Niedersachsen hat es einmal so formuliert: „Am Ende bestimmten 50 Personen das Geschehen, aber alle anderen müssen irgendwie beschäftigt werden.“
Doch der Politiker, der sich selbst abschafft, muss erst noch geboren werden. Das Thema bräuchte neue Ideen und viel Fingerspitzengefühl. So könnte eine Kappung von Sitzen ab einer gewissen Obergrenze eine Lösung sein. Es bleibt jedoch kaum noch Zeit für eine Reform, die schon bei der Wahl 2021 greift. Das Parlament ist gerade erst in die Sommerpause gegangen, die ersten Listenaufstellungen in den Wahlkreisen laufen bereits. So droht Deutschland eine immer teurere und uneffektivere Volksvertretung.