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MG Marvel R Performance So ein Glückskeks!

Dass hinter dem urbritischen Markennamen MG inzwischen ein chinesischer Hersteller steckt: Das hat sich rumgesprochen. Die Autos selbst sind noch wenig bekannt – so wie das vollelektrische Power-SUV Marvel R.
24.12.2022, 06:00 Uhr
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So ein Glückskeks!
Von Oliver Matiszick

Zu den schier unerschöpflichen Quellen, aus denen der mitteleuropäische Mensch seinen Schatz an fernöstlichen Weisheiten bezieht, gehört: der Glückskeks. Jenes knusprige Süßgebäck, das am Ende eines Besuchs im China-Restaurant so wenig fehlen darf wie der obligatorische Pflaumenwein. Also, Glückskeks knacken, das Zettelchen mit der Botschaft – gerne von Konfuzius – entfalten, lesen und nachdenken. Neulich gerade zum Beispiel darüber: „Wer nicht an die Zukunft denkt, wird bald Sorgen haben.“ Zwar konnte selbst Konfuzius, dessen Ableben im Jahr 479 vor Christus verortet wird, noch nichts von der zukunftsträchtigen E-Mobilität ahnen – doch es passte so wunderbar dazu wie der Frühling zur Rolle. Weil draußen vor der Tür ja der vollelektrische MG Marvel R wartete.

Denn der vereint die Themen E-Mobilität, China – seit dem Verkauf der Markenrechte prangt das MG-Logo bekanntlich nicht mehr auf britischen, sondern chinesischen Autos – und eben das beliebte Glücksgekekse. Wie der Marvel R das macht? Auch mit warmen Worten. Wer in ihm Platz genommen hat, darf sich sodann an einer freundlichen Frauenstimme erfreuen, die etwa dies spricht: „Alles Gute und eine sichere und fröhliche Reise!“ Oder, ganz klar unser Favorit: „Atmen Sie frische Luft und genießen Sie den Tag!“ Vielen Dank dafür und ebenso. So lässt sich doch mal in den Tag starten und auf Fahrt gehen.

Die äußerlichen Voraussetzungen, die der Marvel R dafür mitbringt, entsprechen weitgehend dem Trend, den die Nachfrage nun schon seit Jahren diktiert: SUV-Aufbau, mit 4,67  Metern Länge in der Mittelklasse angesiedelt und beim Design, gerade der Frontpartie, unverkennbar dem asiatischen Stil folgend. Das, womit sich MG absetzen will, liegt auf anderen Gebieten. Es ist das Gesamtpaket aus viel Platz im Innenraum (der Kofferraum ist indes mit nur 357 Litern enttäuschend), kompletter Ausstattung, respektabler Anmutung und Technikwucherei zu fairen Preisen.

Fair heißt in diesem Fall: Wer mit knapp 51.000 Euro für die Variante Performance zwar nicht wenig Geld in die Hand genommen hat, bekommt dafür ein E-Auto mit beachtlichen 212  kW (288 PS) und Allradantrieb. Und das ist mal ein Statement. Vor allem aber: Die Chinesen haben der Versuchung widerstanden, den einfachsten Weg aller Marktneulinge zu gehen und hemmungslos Bewährtes zu kopieren. So geht der Marvel  R in vielerlei Hinsicht eigene Wege – auch und gerade bei eben jenem potenten E-Antrieb.

Denn der begnügt sich – im Gegensatz zu den elektrischen Allradsystemen der Konkurrenz in dieser Fahrzeugklasse – nicht mit zwei E-Motoren, sondern setzt dabei auf drei permanenterregte Synchronmaschinen. An der Vorderachse gibt ein 80 kW starkes Aggregat den Alleinunterhalter, während sich hinten ein Duo mit nochmals 80 kW sowie 52 kW die Arbeit teilt.

Die Kraftübertragung übernimmt – ebenfalls alles andere als Standard – eine Automatik, die einen zweiten Gang für hohe Geschwindigkeiten bietet. Und ja, der Marvel R kann auch hohe Geschwindigkeiten, zumindest nach E-Auto-Maßstäben: Erst bei 200 km/h regelt er ab.

Der Vorstoß in diese Regionen gelingt dem MG stromertypisch spielerisch, und tatsächlich scheint er sich dort wohler zu fühlen als bei langsamer Fahrt. Zumindest akustisch: Denn gerade bei Stadttempo neigt das System des Marvel  R beim Ausrollen zu einem irritierend hohen Maß an Geräuschen aus dem Antriebsstrang.

Gut: Die Rekuperationsleistung ist mehrfach verstellbar, wenn auch über einen Schalter mit der verwirrenden Aufschrift „Regen“. Ist die – hier kommt die Auflösung – Regeneration auf maximale Stärke gestellt, verzögert der MG mit bis zu 100 kW. Selbst das bringt zwar noch nicht den beliebten Einpedalbetrieb, aber dennoch einige Energie in den Akku zurück.

Das ist auch deshalb begrüßenswert, weil der Marvel R generell kein Kostverächter ist. Im Testbetrieb standen 23,5 kWh pro 100 Kilometer als Durchschnitt – was auch die 65 kWh nutzbarer Akkukapazität relativiert. Um die 300 Kilometer Reichweite sollten im Alltag aber immer einkalkuliert werden können.

Wobei: Das Nachfassen von Energie ist dann eher eine Angelegenheit, die Geduld fordert. Am Schnelllader kann der MG mit maximal 92 kW neuen Strom in den Speicher ziehen, was nach aktuellem Stand der Technik schon keine Hexerei darstellt. Aber dann gibt es ja auch noch die Lücke zwischen Theorie und Praxis – im Test trödelte der Marvel  R meist im Bereich von 40 bis 50 kW Ladeleistung vor sich hin.

Um es positiv zu sehen: So bleibt reichlich (Stand-)Zeit, sich mit dem Bediensystem vertraut zu machen. Denn auch das ist in dieser Form und Preisklasse einzigartig. Die scheinbar schwebende Mittelkonsole ist ein einziges, riesenhaftes Zentraldisplay zur Steuerung von Fahrzeugfunktionen, Infotainment und Klimatisierung. Das Ablenkungspotenzial gerade bei Dunkelheit ist zwar beachtlich, doch zugleich sind die Möglichkeiten wie die Darstellung des Abbiegeassistenten faszinierend.

Der zählt zu einem üppigen Rundumpaket an Fahrhilfen, von denen besonders aber die aktive Spurführung mehr Feinschliff vertragen hätte. Die ist nicht nur übervorsichtig kalibriert, sondern greift dann auch derart ruppig ein, dass sie mehr Gegner denn Assistent des Fahrers ist. Harmlos dagegen die Probleme mit der Sprachsteuerung etwa beim Versuch, das Navigationsziel anzusagen: Hier liegt kein Übereifer, sondern schlicht Begriffsstutzigkeit vor.

Ansonsten aber passt der Eindruck, den der Marvel R hinterlässt. Das Ambiente mit wertigen Materialien und weich geschäumten Oberflächen macht Eindruck – wie sehr es den auch auf Dauer wahren kann, steht auf einem anderen Blatt. So wie bei den Sitzen, die nicht nur gut aussehen, sich beheizen und auch belüften lassen; deren Bezüge nach längeren Strecken aber auch zur Faltenbildung neigen.

Ist das am Ende ein Hinderungsgrund, es mit einem E-Auto aus China versuchen? Die Antwort sei dem nächsten Glückskeks überlassen: „Wer ständig glücklich sein möchte, muss sich oft verändern.“ Das soll, wie überraschend, übrigens auch Konfuzius gesagt haben.

Info

Modell: MG Marvel R Electric AWD

Motor: 3 x E-Motor

Leistung: 212 kW/288 PS

Drehmoment: 665 Nm

Höchstgeschwindigkeit: 200 km/h

Beschleunigung (0–100 km/h): 4,9 s

Batteriekapazität: 65 kWh (nutzbar)

Verbrauch (ø nach WLTP): 20,9 kWh/100 km

Reichweite (nach WLTP): bis zu 370 km

Abmessungen (L/B/H): 4,67/1,92/1,61 m

Kofferraumvolumen: 357 Liter

Testwagenpreis: 50.990 Euro

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