Ein Elektroauto fährt nicht nur lokal emissionsfrei und das möglichst weit, es stellt die Entwickler auch vor neue Herausforderungen abseits von Antriebsstrang und Reichweitenoptimierung. Die Stichworte: Vibrationen, Frequenzen, Klänge. Letztere reichen bauartbedingt von Frequenzen, die dumpf im Magen kribbeln, bis hin zu einem lästigen Pfeifen. Abhilfe schaffen moderne Materialien.
Der Fahrtwind rauscht mal laut, mal leise. Der Blinker gibt den Takt vor. Der Kompressor der Klimaanlage und der Motor der Servolenkung summen. Kurzum, die Geräuschkulisse eines Autos macht mehr her, als viele denken. Dazu die Armada an Assistenten, so kann der Mix verschiedenster Töne schnell nerven, aber durchaus auch Freude bereiten – und das ohne Musikstream vom Smartphone oder die neuesten Hits aus dem Radio.
Der Maskierungseffekt entfällt
Die Insassen nehmen viele dieser Tonlagen allerdings kaum wahr, zumindest solange nicht, wie ein Verbrenner am Werk ist. Für gewöhnlich übertönt ein klassischer Motor anderweitige Schallquellen. Im Elektroauto hingegen fällt dieses Phänomen, im Fachjargon Maskierungseffekt genannt, größtenteils weg. Das stellt die Akustiker und Sounddesigner vor neue Herausforderungen.
Nachdem sich viele Fahrzeughersteller zunächst auf die Entwicklung des elektrischen Antriebs und auf eine möglichst große Reichweite konzentriert haben, gewinnen daher zunehmend andere Faktoren an Bedeutung, etwa das klangliche Wohlbefinden der Fahrzeuginsassen. Denn obgleich der Elektroantrieb objektiv leiser ist als ein Verbrennungsmotor, empfinden viele Menschen die hochfrequenten Geräusche der Triebwerke noch immer als lästiges Getöse, zum Beispiel als ein unangenehmes Pfeifen.
Die Lagerung des Motors entscheidet
Klar, es handle sich bei einigen der Geräusche um Schwingungen aus dem vierstelligen Hertzbereich, schreibt der Automobilzulieferer Continental in einer Pressemitteilung. Wer sensible Ohren besitzt, stört sich entsprechend schnell. Zum Vergleich: Der Standardkammerton der A-Saite einer Gitarre bringt es auf 440 Hertz.
Um die Vibrationen des Motors und die Abrollgeräusche der Reifen auf dem Asphalt so effizient wie möglich von der Karosserie zu isolieren, kommt der Lagerung von Motor und Fahrwerk im E-Fahrzeug eine entscheidende Rolle zu. Die Lösungen sind vielfältig – angefangen beim Design der Außenhülle bis hin zu den Materialien für Unter- und Einbauten.
Die Kräfte wirken nahezu unverzögert
Die Problemstellung liegt vor allem in den unterschiedlichen Funktionsweisen von Verbrennungsmotor und E-Aggregat begründet. Ein Ottomotor etwa erzeugt in jedem Zylinder kleine Explosionen, während ein Elektromotor das Fahrzeug mithilfe eines rotierenden Magnetfelds antreibt. Durch die elektromagnetische Krafterzeugung und eine höhere Drehzahl wirken die Kräfte nahezu unverzögert.
Die Karosserie einmal in Schwingung versetzt, schaukeln sich die Frequenzen und Lautstärken schnell hoch – bedingt durch die Eigenfrequenzen der Materialstrukturen, beispielsweise die des Motorgehäuses. Ein dumpfes Kribbeln in der Magengegend der Insassen, ein grillenhaftes Zirpen oder auch ein tonales Heulen? Keine Seltenheit.

Nachdem es zum Start der E-Mobilität vor allem um Antriebe und Reichweiten ging, gewinnt zunehmend das klangliche Wohlbefinden der Fahrzeuginsassen an Bedeutung.
Die Hannoveraner Ingenieure sprechen in diesem Zusammenhang von NVH-Verhalten – das steht für die englischen Begriffe Noise (Lärm), Vibration (Schwingung) und Harshness (Rauheit). Die Motorlagerung besteht – unabhängig von der Antriebsart – aus jeweils einem Anbindungselement auf der Motor- und der Karosserieseite sowie einem elastischen Verbindungsstück, das die Isolation übernimmt.
Mithilfe von Simulationsverfahren wie der sogenannten Finite-Elemente-Analyse und einem Fundus an unterschiedlichen Materialien sorgt der Zulieferer Continental dafür, die Lagerungskomponenten bereits in frühen Phasen der Entwicklung zu optimieren. Ein besonderes Augenmerk liegt auf der Auswahl des passenden Werkstoffs. Die entsprechenden Kenngrößen sind vor allem die Festigkeit und die Beständigkeit.
Der Mittelweg heißt Aluminium
„Da Elektrofahrzeuge aufgrund der großen Antriebsakkus ohnehin schon recht schwer unterwegs sind, gilt es, die Bauteile bei optimaler Leistung möglichst leicht zu gestalten“, erläutern die Entwickler – Stichwort Reichweite.
Für die Anbindungselemente eigneten sich Stahl, der durch seine hohe spezifische Steifigkeit deutlich höhere Krafteinwirkungen aufnehmen kann, oder aber faserverstärkte Hochleistungspolyamide, die mit ihrer geringen Dichte besonders leicht sind. „Oftmals können Konstruktionen aus Aluminium einen Mittelweg zwischen den beiden Extremen abbilden.“
Das Ziel: wohlige Klangteppiche
Das bedeutendste Material ist allerdings nach wie vor Gummi. Im E-Auto ist die im Motorraum eingesetzte Gummimischung geringeren Maximaltemperaturen ausgesetzt – das sorgt für mehr Spielraum. So können sich die Ingenieure darauf konzentrieren, die richtige Steifigkeit und Beständigkeit für die optimale akustische Isolation zu finden und für ein Höchstmaß an Sicherheit zu sorgen. Das Ziel: Das Geräuscherlebnis soll eher einem wohligen Klangteppich ähneln als störenden Misstönen.