Vampire fanden in Videospielen bislang kaum eine Plattform. Zu dominant waren Elfen, Trolle, Riesen order Orks in den Fantasy-Spielen und Zombies in den Horrorszenarien. Eben diese Lücke versuchen die Entwickler des französischen Studios Dontnod, die zuletzt mit "Life is Strange" die Szene begeistert haben, mit "Vampyr" zu schließen.
Dafür hat das Team ein düsteres Szenario gewählt: London nach dem ersten Weltkrieg in der Zeit der spanischen Grippe. Als wäre das nicht schon schlimm genug, gesellen sich die Blutsauger dazu. Zu einem wird auch Dr. Jonathan Reid, der kurz nach seinem Erwachen als Vampir in einer Art Trance unwissentlich seine Schwester tötet. Während es ihm nach frischem Blut dürstet und er sich seiner neuen Fähigkeiten erst noch bewusst werden muss, fühlt sich der auf Bluttransfusionen spezialisierte Kriegsarzt gleichzeitig dazu verpflichtet, Menschen von ihren Krankheiten zu heilen. Zudem will er seinen Peiniger finden.
Wie für Vampire üblich, spielt sich das Szenario ausschließlich nachts ab. Mit den Fackeln am Straßenrand und vielen dunklen Ecken schafft "Vampyr" eine stimmige und packende Atmosphäre. Da der weitere Verlauf und das Ende von den Entscheidungen im Spiel abhängt, ist der Ausgang auch stets ungewiss: Blut saugen verleiht Stärke und bietet einen Vorteil gegenüber Gegnern, gleichzeitig schwächt es aber die Strukturen der Stadt – was dem Ansinnen des Doktors widerspricht. Mit diesem Twist stellen sich die Macher teilweise selbst ein Bein und drängen den Spieler mehr dazu, den Vampir in sich hochkochen zu lassen. Wer die Gegner nicht besiegt, wird im Spiel auch keinen Fortschritt erzielen. Entscheidungsfreiheit sieht anders aus.
Auch die Gesichtszüge wirken oft mager und emotionslos. Das schwächt die tiefgründigen und stimmigen Dialoge enorm, die nur mit deutschen Untertiteln angeboten werden. Dennoch kann sich der Spieler minutenlang in ihnen verlieren, um die Lage Londons genauer zu erkunden und mehr über die Charaktere zu erfahren. Gerade wenn es nur darum geht, lebendig von A nach B zu gelangen, zieht sich das Spiel jedoch oft unnötig in die Länge. Und wieso lässt sich nur an vorgegebenen Stellen die Flugeigenschaft benutzen? Viele Elemente werden schlicht willkürlich eingestreut und erscheinen dadurch unstimmig. Überladen wirkt dabei auch das Crafting-System, um selber Gegenstände herzustellen. Mit geringerem Umfang kommt der Fähigkeiten-Baum aus, bietet aber dennoch abwechslungsreiche Optionen.
Insgesamt ist mit Vampyr ein solider Titel entstanden, dessen Stärken klar in der Vertonung liegen. In vielen Punkt ist noch Luft nach oben. Dontnod zeigt jedoch, dass das Szenario an sich Potenzial hat.
Gesamtwertung
Story: 5/7
Grafik: 3/7
Ton: 6/7
Steuerung: 4/7